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werden, bringt sie durch einen Druck auf den Bedienschalter die Musikalität ge-

sprochener Verse hervor.

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Der Höreindruck verknüpft sich mit weiteren Fragen.

Sein Streben nach antiker Einfachheit verband Voss mit der aus der antiken Tradi-

tion ableitbaren Idyllenform und mit dem Wohllaut des griechischen Hexameters.

Der Hexameter, der gemäß der Poetik der Zeit einen großen, bedeutenden Stoff

fordert, erhöht hier von Voß geschilderte bürgerliche Alltagshandlungen.

Widmen wir uns noch einmal hand-

festen Dingen, der Übersetzung

eines literarischen Bildes in eine

Installation (Abb. 6). Auch Luises

Vater treiben die politischen Zeiter-

eignisse um:

„Über Europa geschwazt und Ame-

rika,/ jenes im Dunkel,/ Dies im ta-

genden Lichte der Menschlichkeit!

Öfne das Fenster!/ Frische Luft ist

dem Menschen so noth,/ wie dem

Fische das Wasser,/ Oder dem

Geist frei denken, so weit ein/ Ge-

danke den Flug hebt,/ Nicht durch Bann und Gewalt zu den folgsamen Thieren

entwürdigt;/ Ah! wie der labende Duft hereinweht!/ und wie der Garten/ Blühet

und blüht, von des Thaus vielfarbigen Tropfen umfunkelt!“

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Ein Diorama, ein als Fenster gestaltetes Durchscheinbild, bietet dem Besucher

eine Blickverlängerung im räumlichen und zeitlichen Sinn. Es lässt die im Vor-

dergrund aufgebrachte norddeutsche Arkadien-Projektion (ein mit Apfelbäumen

blühender Garten) in eine griechische (eine Uferszenerie mit Zitronen/Orangen

und Tempelruine) übergehen. Denkbar wäre eventuell auch Schinkels 1824/25

gezeichnete Vision: „Blick in Griechenlands Blüte“, welche im panoramaartigen

Querformat das Zusammenspiel von Landschafts-, Bau- und Memorialarchitektur

in einem erträumten Griechenland der klassischen Zeit zeigt.

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Mit jugendlich frischen Stimmen bringen Studierende der Sprechwissenschaft der Martin-Luther-

Universität Halle-Wittenberg die 3. Idylle der „Luise“ mit einigen Auslassungen zu Gehör.

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Zit. nach Adrian Hummel (Hg.): J.H. Voß, S. 58.

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Die Zeichnung wurde interpretiert als „Vision des kulturgeschichtlichen Zusammenspiels von

Landschaft, Gesellschaft und Kunst“, Schinkel formulierte dies als Utopie, deren Einlösung sich

als Aufgabe für die eigene Gegenwart stellte. Vgl. Christian Scholl: Optimistischer Sentimenta-

lismus. Karl Friedrich Schinkels „Blick in Griechenlands Blüte“ als Vision für Spaziergänger. In

Kopflandschaften. Landschaftsgänge, hg. Axel Gelhaus, Christian Moser und Helmut J. Schneider,

Köln, Weimar, Wien, S. 128.

Abb. 6 – Fenster