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setzt sich bei den Spielkameraden durch,

und

er träumt. Der Enkel eines Leibeige-

nen und Sohn eines Zollpächters macht schon als Junge nicht Halt vor Autoritäten,

wenn sie ihm Entfaltungsräume versagen.

Die Linie des Freiheitsgewinns bildet den roten Faden bereits in jungentypischen

Bewährungsproben. Die Situation scheint durch die Kontradiktion Spielwunsch

und Spielverbot festgefahren. Ein alter Hauptmann hatte sich darauf versteift, Voß

und seinen Spielgenossen seine Wiese, die vor der Alten Burg lag, als Spielfeld zu

verbieten. Voß ergreift ein ihm früh bereits nahe liegendes Mittel: die Feder. Sein

anonymer Brief zeigt Einbildungskraft und eine ihm eigentümliche pädagogische

Menschenbetrachtung. Er spricht den Penzliner „Hauptmann von Kapernaum“

ideal als Förderer der Jugend an, wobei ihm Matthäus 8,5. eine Stütze gab. Und

tatsächlich verschiebt Vossens Brief die Grenze, die der Hauptmann an seiner Wie-

sengrundstücksgrenze zog.

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Vossens Feder wandelt hier bereits Unfreiheit in Frei-

heit – hier Spielfreiheit – um. Die schematisierte Lupe weist Interessierte an den

Lesescreen der Regionalbibliothek, gelegen eine Etage tiefer. Vossens Brief, wo-

möglich auch integrierbar in ein Schulprojekt im Fach Religion, ist dort nachlesbar.

Andere Jungenspiele verklären Preußens Siege während des Siebenjährigen Krie-

ges, die die Penzliner Mitschüler und Lehrjungen zunächst begeistern. Der pfiffige

Voß sucht möglichst viel symbolisches Kapital auf seinem Haupt zu versammeln. Er

lässt sich zum Obotritenkönig

und

zum Anführer des preußischen Heeres ernennen

und bricht – doppelt erhoben – auf, mit seinen Mannen die Schweden zu schlagen,

für deren Partei sich unter den Penzliner Jungen kaum Rekruten finden. Alle wol-

len Preußen spielen. Unser beschwingtes Klavier lässt die aufgeräumte Stimmung

erahnen, mit welcher der junge Voß, angetan mit einem preußischen Zopf, für die

1757 durch die Große Straße ziehenden preußischen Truppen preußische Märsche

abspielt

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, auf dem Klavier liegt der Hut des Obotritenkönigs („Ich Johann Heinrich

Voß, von Gottes Gnaden König der Wenden in Mecklenburg“

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) und Anführer des

preußischen Heeres. Der Besucher hört bei Berührung einzelner Klaviertasten einen

preußischen Marsch, aber auch Vertonungen von Voß’schen Volkslied-Texten. Wir

tragen die namhaften Komponisten, die Melodien zu Texten von Voß komponiert

haben, auf den geschwungen/beschwingten Tasten auf: und zwar Carl Philipp Ema-

nuel Bach (6 Vertonungen), Johannes Brahms (1), Felix Mendelssohn-Bartholdy

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Voß formt in den Lebenserinnerungen (1826) die Penzliner Büberei zur Anekdote. Abdruck des

Briefes bei Siegfried Heuer: Johann Heinrich Voß und seine mecklenburgische Heimat. In: Andrea

Rudolph (Hg.). Johann Heinrich Voß. Kulturräume in Dichtung und Wirkung, Dettelbach 1999, S.

47-68, hier: S. 53f.

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Vossens Onkel, der Klaviermacher Carsten, wohnte mit im elterlichen Hause und hatte dem acht-

jährigen Jungen Voß Klavierunterricht erteilt.

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Zit. nach Wilhelm Herbst, S. 26.