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gewinnen. Im Streit mit Robert Koldewey, der in einem 1887 in der „Zeitschrift
für Assyriologie“ veröffentlichten Grabungsbericht den Terminus „Feuernekropo-
le“ verwendete,
24
auf dessen Urheberschaft Boetticher vehement Anspruch erhob,
attestierte Ebers ihm, der hinter der Nichterwähnung seines Namens „eine Intri-
gue jener berliner Kreise“
25
um Virchow sah, „dass Sie in der That den Spaten-
führern durch eine Geistesthat zuvorgekommen sind und das Vorhandensein von
Feuernekropolen zuerst signalisiert und begründet haben“
26
. Diese eher beiläufige
Bemerkung kam für Boetticher offensichtlich einer Art Ritterschlag gleich, und
noch über 20 Jahre später stellte er sie im Faksimile seiner im Selbstverlag er-
schienenen Bilanz „Der trojanische Humbug“
27
voran. Das Buch enthält zuweilen
etwas penetrant anmutende Hervorhebungen der Bedeutsamkeit derjenigen, die
sich, wie vorsichtig auch immer, bejahend zu Boettichers Thesen geäußert hatten:
„Meine Beweisführung […] fand auf unparteiischer Seite alsbald entschiedene
Zustimmung, und Gelehrte von der größten Bedeutung waren es, welche sie offen
aussprachen“
28
. Kehrseitig dazu kritisierte er an seinen Gegnern nicht nur deren
Argumente, sondern versuchte, sie auch als Wissenschaftler zu diskreditieren, in-
dem er ihre Kompetenz und Zuständigkeit bestritt.
29
Er glaubte, von der Fachwelt
übergangen zu werden, „da ich nicht über den Doctorhut verfüge“
30
, und wähnte,
„in Hissarlik besser zu Hause“ sei „als Dr. Dörpfeld, kraft sorgsamen Vergleichens
aller Berichte, Zeichnungen und Pläne seit Beginn der Schliemann’schen For-
schungen und kraft des Besitzes archäologischer und ethnologischer Kenntnisse“.
Darüber hinaus führte er zu seiner fachlichen Legitimation an, dass er „als […]
ausgebildeter und praktisch erprobter Artillerieoffizier [...] darüber, ob fragliche
Bauten ihrer Natur nach Festungswerke sein können, wohl mehr Urtheil“ besäße
als Dörpfeld. Auch wies er darauf hin, er habe „in Krieg und Frieden gewiss soviel
Erdarbeiten geleitet wie jemals dieser“
31
.
Die in dieser Auseinandersetzung fassbar werdende Frontstellung zwischen „Spa-
tenforschern“ und „Stubengelehrten“ verweist auf einen weiteren für die Wissen-
schaftlerprofessionalisierung wichtigen Punkt, nämlich die Unterscheidung von
Datenerhebung einerseits und Datenauswertung andererseits. In der Archäologie
ist sie besonders anschaulich und manifestiert sich in Ausgrabungen oder Surveys
24
Koldewey 1887, S. 430.
25
Boetticher an Ebers, 27.07.1888, zit. nach Zavadil 2009, S. 164.
26
Ebers an Boetticher, 12.09.1888, zit. nach Zavadil 2009, S. 178.
27
Boetticher 1911.
28
Boetticher 1911, S. 138.
29
„Obwohl Dörpfeld weder studierter Archäologe war, noch ein Baumeister-Examen gemacht hat,
pochte er doch stets auf seine Autorität als Fachmann“ (Boetticher 1911, S. XXX).
30
Boetticher an Ebers 08.08.1888, zit. nach Zavadil 2009, S. 175.
31
Boetticher 1889, S. 5.