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keit der Sinne, z.B. desAuges höher stellt als das geistige Urtheil. Der Schein trügt!

Das alte Leitmotiv: ‚er ist ja gar nicht dagewesen‘ klingt überall aus Dörpfeld’s

Polemik hervor“

51

.

Vor diesem Hintergrund konnte er dann, wie bereits zitiert, behaupten, „in His-

sarlik besser zu Hause als Hr. Dörpfeld“ zu sein. Damit gemahnte er einerseits zu

Recht an die Eigenlogik und die eigene Dignität der Datenauswertung, als Argu-

ment gegen Schliemann und Dörpfeld war dies aber unkräftig, weil es ihnen um

die Zuverlässigkeit des Protokolls zu tun war. Beide Parteien argumentierten also

auf unterschiedlichen Ebenen.

Einen interessanten Kommentar zu Boetticher und seinen Unternehmungen hat

Moriz Hoernes 1890 verfasst, der zu dieser Zeit Assistent am Naturhistorischen

Museum in Wien war. Er geht nicht auf Boettichers Argumente ein, sondern sieht in

ihm zeitdiagnostisch denAusdruck eines bestimmten Symptoms, einer übersteiger-

ten Neigung zu Kritik und Skeptizismus, die parasitär alles Erfolgreiche überziehe.

„Hauptmann Bötticher gehört in die Klasse jener unglücklichen Entdecker, wel-

che den archimedischen Punkt gefunden zu haben glauben, von dem aus sich eine

ganze Welt von Thatsachen in Bewegung und neue Ordnung bringen läßt. Die-

se Männer wollen sich mit einem kühnen Anlauf auf die Schultern einer Anzahl

mühegebeugter Vorarbeiter schwingen und gleichen doch nur dem Erfinder eines

neuen Luftschiffes, der seinen Ideen so blindlings vertraut, daß er durch sie den

Tod findet. Der Gedanke, welcher sie im Flug emportragen soll zu hohemAnsehen

in der Wissenschaft, gewinnt allmählich eine furchtbare Gewalt über sie und stürzt

sie ins Verderben.“

52

Boetticher verfasste daraufhin einen Beschwerdebrief an Josef Szombathy, den

Leiter der anthropologisch-archäologischen Sammlung des Naturhistorischen

Museums, und brachte seine Überraschung darüber zum Ausdruck, „daß ein Be-

amter des Hofmuseums Artikel gegen einen von aller Welt ernsthaft genommenen

Forscher veröffentlichen darf“

53

. Er konstatiert, Hoernes habe ihm in der zitierten

Passage bescheinigt, von einer „fixen Idee“ ergriffen zu sein, und er erwägt „Kla-

ge bzw. Beschwerde“; im Grunde jedoch habe Hoernes sich mit diesem Artikel

„selbst gerichtet“. Die Gefolgschaft Boettichers rekrutiere sich nach Hoernes nicht

aus Fachwissenschaftlern, sondern Autodidakten, „welche im Besitze allgemeiner

Bildung und regen Geistes das Richteramt in wissenschaftlichen Fragen unbefugt

51

Boetticher 1888, S. 4.

52

Hoernes 1890, S. 341.

53

Boetticher an Szombathy 17.08.1890, zit. nach Zavadil 2009, S. 318.