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Benndorf, der die von Köhler aufgestellte Hypothese nur zum Teil akzeptierte,

entgegnete darauf nur kurz: „Mit besonderem Interesse habe ich, lieber College

und vielfach zustimmend Ihre Bemerkungen über Schl[iemann] – Köhler gelesen.

Die Forschung muss eben erst angehen. Auch ich werde in diesen Strudel zu sprin-

gen haben, um nächstens im österr[eichischen] Museum meine archäolog[ischen]

Taucherkünste zu zeigen. Ein stilleres Wasser wäre mir freilich zusagender.“

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Benndorf spielte damit auf einen Vortrag an, den er am 28. Februar 1878 im Öster-

reichischen Museum für Kunst und Industrie über Schliemanns Ausgrabungen in

Mykene halten sollte. Es war dies seit seinem Wechsel von Prag in die Reichs-

hauptstadt sein erster großer Auftritt vor Wiener Publikum, und so wird er sich

gewiss penibel vorbereitet und alle einschlägigen Berichte über Schliemanns For-

schungen studiert haben, einschließlich der Berichte Charles Newtons über die

Schätze von Mykene.

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Zur Veranschaulichung seiner Ausführungen hatten Schü-

ler der Wiener Kunstgewerbeschule unter der Leitung von Professor Hans Macht

„die charakteristischesten Typen der Denkmale und Fundobjecte in colossalem

Maßstabe“

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gezeichnet und im Vortragssaal aufgestellt.

Wie Berichten in Wiener Printmedien zu entnehmen ist, sprach Benndorf einein-

halb Stunden, hielt aber durch seine Redegewandtheit das Interesse der zahlrei-

chen Zuhörer permanent wach: „Dr. Benndorf zählt zu den besten Sprechern, wel-

che wir in der letzten Zeit in Wien gehört.“ Er selbst empfand den Vortrag als „eine

nicht leichte und nicht dankbare Aufgabe“, da die „wissenschaftliche Forschung

[...] kaum begonnen (habe), diesen Stoff zu sichten“.

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Hatte sich Conze anlässlich seines 1873 gehaltenen Vortrages über die trojani-

schen Ausgrabungen „in sehr absprechender und geringschätziger Weise über

Schliemann’s Bestrebungen und Erfolge geäußert“, was damals „keinen guten Ein-

druck auf das unbefangene Publicum machte“

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, so zollte Benndorf „Schliemann’s

so ergebnißreicher Thätigkeit [...] alle Anerkennung“

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, trat aber „seinen willkür-

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Brief Otto Benndorfs aus Wien an Wilhelm Gurlitt, 1. Februar 1878 (Archiv der Karl-Franzens-

Universität Graz, Nachlass Gurlitt).

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Newton 1877. Vgl. zum Vortrag den kurzen Bericht in: MÖMKI 153/1878. Einen Vortrag zum sel-

ben Thema hielt Benndorf ein weiteres Mal in diesem Jahr, nämlich am Montag, den 11. November

1878 im Rahmen der Konkordia-Vorträge im Konviktsaal in Prag, vgl. Prager Tagblatt Nr. 312,

10. November 1878, S. 3; Prager Abendblatt (Beilage zur Prager Zeitung) Nr. 259, 12. November

1878, S. 2.

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Local-Anzeiger 60/1878, S. 9.

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NFP 4853/1878.

64

Local-Anzeiger 60/1878, S. 9.

65

NFP 4853/1878.