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glied der Berliner Akademie der Wissenschaften für das Fach der Kunstwissen-

schaft vom 22. Juni 1893 schrieb, „durch eine weitgreifende Sammlung des Mate-

rials eine ganze Klasse von kleinen Kunst-Denkmälern zusammenfaßte und sie in

scharfsinniger Weise zur Aufklärung antiker Sitten und Gebräuche benützte.“

78

In

zeitnahen Rezensionen wurde Benndorf für seine Methode gelobt. Er gehe näm-

lich von dem Grundsatz aus, „dass ein einzelnes, zufällig an das Licht gekomme-

nes Denkmal so lange unverständlich bleibt, bis die Denkmälerclasse, zu welcher

es gehört, sich übersichtlich betrachten und die Stellung des Einzelnen zu dem

Verwandten sich sicher bestimmen lässt.“ Das Verdienst bestehe „deshalb einmal

in einer mühevollen Sammlung der an den verschiedensten Orten befindlichen in

Betracht zu ziehenden Monumente und sodann in der Sichtung und Anordnung,

aus welcher für das Einzelne erst ein Verständniss gewonnen wird.“

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Die Bedeu-

tung des Werkes erschließt sich jedoch auch daraus, dass Verfasser von Nachrufen

auf Benndorf – also Jahrzehnte nach der Drucklegung – an dieses grundlegende

Werk erinnerten, in welchem Benndorf die literarische Überlieferung erschöpfend

ausgewertet, die in verschiedenen Kulturen gebräuchliche Bestattungssitte der To-

tenmasken kulturgeschichtlich verortet

und eine bis dahin kaum beachtete, merk-

würdige Denkmälerklasse der Forschung zugänglich gemacht habe.

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Was Benndorfs Werk aber, wie ich meine, darüber hinaus sehr deutlich vor Au-

gen führt, ist das Faktum, wie unmittelbar Schliemanns Tätigkeiten den Fortgang

der archäologischen Forschung an den Universitäten beeinflussten. Benndorf hat-

te zwar bereits 1873 den Plan gefasst, in einer umfassenden Arbeit dem Phäno-

men der Sepulkralmasken bzw. Gesichtshelme nachzugehen. Aber es bedurfte der

Schliemann’schen Funde in Mykene, die ihn dieses Vorhaben wieder aufgreifen

ließen. Benndorf eröffnet mit den Masken aus Mykene seinen Katalog

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, und er

kehrt auch in der auswertenden Analyse zu ihnen zurück. Nicht nur dieses Detail,

sondern auch, dass Benndorfs Publikation – und damit Schliemanns Masken – in

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Zitiert aus dem erwähnten Antrag, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen-

schaften, Bestand PAW (1812–1945), II-III-125, Bl. 131v–132r. Die Wahl Benndorfs erfolgte in

der Sitzung vom 30. November 1893.

79

Marquardt 1879.

80

Swoboda 1907; Conze 1909, bes. S. 33. – Zum Stellenwert von Benndorfs Publikation und seinem

Einfluss auf die spätere (Porträt-)Forschung s. von Schlosser 1910/11, S. 172 („die glänzend scharf-

sinnige und in der Weise ihres Autors an lehrreichen Ausblicken reiche Abhandlung“); Kaschnitz

von Weinberg 1926, bes. S. 188; Kaschnitz von Weinberg 1965, S. 43–47; Drerup 1980, S. 82f.

(„Die Wirkung der Abhandlung war außerordentlich, sie hat der weiteren Forschung für mehr als

ein halbes Jahrhundert die Richtung gewiesen.“ Zitat S. 83); Fejfer 2008, S. 5f. mit Anm. 9 auf

S. 447; Pollini 2012, S. 40 mit Anm. 167 auf S. 65. – Für aktuelle Forschungen über Helme und

Masken ist Benndorfs Untersuchung nach wie vor ein Referenzwerk ersten Ranges, vgl. z. B. Hanel

– Peltz – Willer 2003; Rose 2006; Narloch 2012.

81

Benndorf 1878a, S. 5–7 Nr. 1–6.