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Die Korrespondenz mit Eduard von Muralt und anderen Schweizern setzte 1881
wieder ein, in einem ereignisreichen Jahr: Schliemann schenkte seine
Trojanische
Sammlung
„dem deutschen Volk, zu ewigem Besitz und ungetrennten Aufbewah-
rung“ nach Berlin und erhielt später die Ehrenbürgerwürde der Stadt;
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kurz zuvor
war sein umfangreiches Werk „Ilios, Stadt und Land der Trojaner“ auf Deutsch
erschienen.
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Noch von Karlsbad aus, wo sich die Familie zur Kur aufhielt, nahm
Schliemann Mitte August 1881 Kontakt mit Eduard von Muralt auf und kündigte
seinen baldigen Besuch in der Schweiz an: „Wir wollen dort ausruhen und die Luft
der Berge atmen [...] und ferner für unsere 10jährige Tochter eine geeignete Erzie-
herin finden [...].“
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Dank dichter Korrespondenz lässt sich verfolgen, wie Schlie-
mann während seines Schweizer Aufenthalts von Thun aus vorging, um dieses
Ziel möglichst schnell zu erreichen. Auf Empfehlung von Friedrich Lieb-Burck-
hardt in Basel, den er möglicherweise noch aus seiner Zeit als Geschäftsmann
kannte,
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schrieb er am 28. August dem Direktor der Neuen Mädchenschule in
Bern, Melchior Schuppli:
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„Hochverehrter Herr Director Schuppli
Die Ehre Ihrer geschätzten Bekanntschaft verdanke ich unserem gemeinschaft-
lichen Freunde F. Lieb-Burckart
[sic]
in Basel auf dessen Empfehlung ich mir
erlaube bei Ihnen anzufragen ob Sie vielleicht eine tüchtige junge Schweizerin
kennen, welche fertig französisch und deutsch versteht sowie in Botanik u. Musik
erfahren ist und geneigt wäre bei uns als Erzieherin meines zehnjährigen Töch-
terchens einzutreten. Da Letzteres von jetzt an die Schule in Athen besuchen soll,
würde die junge Dame dasselbe nur in den freien Stunden zu unterrichten sonst
aber die Aufsicht über sie zu führen haben, u. würde ihr somit sehr viele Zeit
bleiben meiner Frau in der Wirtschaft zu helfen. Es wäre daher sehr wünschens-
werth, dass sie in der Haushaltung erfahren ist. Ich bitte Sie recht sehr mich gütigst
benachrichtigen zu wollen ob eine junge Dame Ihrer Bekanntschaft befähigt und
geneigt wäre eine solche Stelle bei uns anzunehmen u würden meine Frau u. ich
uns in diesem Falle sogleich das Vergnügen machen auf einen Tag nach Bern zu
gehen um sie zu sehen und das Nähere zu verabreden.“
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Witte 2012, bes. 251–253.
27
Traill 1995, 206–211; Cobet 1997, 93–98.
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Brief vom 25. August 1881 (BBB 38, 225).
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Konkrete Hinweise fehlen; wie sich aus der Leichenrede ergibt, war F. Lieb-Burckhardt (1819–
1892) in den 1840er Jahren im Wollhandel in Wien und Ungarn tätig (N.N. 1892, 3–4).
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Zu Melchior Schuppli (1824–1898) vgl. Graf 1898; Dummermuth 1901, 93–148 passim.
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Brief vom 28. August 1881 an M. Schuppli (BBB 38, 227). Hier wird als Beispiel einer solchen
Anfrage, wie sie Schliemann noch oft formulierte, der volle Wortlaut (ohne Grußformel) gegeben.