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höchsten Grad zum Gräuel“ werde, sehe er sich nach einer neuen Frau, möglichst
einer Griechin, um.
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Wir übergehen die hinlänglich bekannten Einzelheiten von Scheidung und Braut-
schau; bemerkenswert bleibt jedenfalls, dass Schliemann hier seinem ehemaligen
Lehrer in allen Einzelheiten sein Herz ausschüttet. In seiner Antwort rät ihm v.
Muralt zur Vorsicht bei jungen Griechinnen und empfiehlt ihm eher eine Mecklen-
burgerin oder eine französischsprachige Schweizerin.
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Wir wissen, wie die Suche ausgegangen ist: schon einen Monat später heiratete
Schliemann in Athen die 17-jährige Sophia Engastromenos, die trotz denkbar un-
günstigen Vorzeichen und andauernden Problemen den schwierigen Mann an ihrer
Seite nicht nur ertrug, sondern auch liebte. In seinem nächsten Brief an v. Muralt
vom 23. März 1871 rühmt Schliemann seine junge Frau jedenfalls aufs höchste und
kommt dann gleich auf ein Thema zu sprechen, das uns im Folgenden wie ein Leit-
motiv begleiten wird: die Suche nach einer Schweizer Gesellschafterin für Sophia.
Sie sollte „mindestens eine fremde Sprache sprechen, die Hauswirtschaft gründ-
lich verstehen, [...] musikalisch sein und sich durch ihren sanften Charakter für
Sophia eignen.“
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Von Muralt reagiert recht ungehalten: „Sie begreifen, dass ich in
so kurzer Zeit eine die gewünschten 3 Eigenschaften der Lehrerin, Wirtschafterin
und Gesellschafterin in sich vereinigende Person bei dem besten Willen nicht fin-
den konnte umso weniger als Sie kein Sterbenswörtchen von dem zu erwartenden
Honorare gesagt, was einem gewiegten Geschäftsmanne wie Sie kaum entgehen
sollte.“
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Jedenfalls kam, auch aus anderen Gründen, kein Engagement zustande.
Unterdessen hatte Schliemann den Hauptwohnsitz der Familie von Paris nach
Athen verlegt; von diesem Zeitpunkt an schrieb er all seine Briefe an Eduard von
Muralt auf altgriechisch –was dieser seinerseits sogleich aufnahm, denn „in wel-
cher Sprache [sollte] ich [sonst] mit Ihnen verkehren, wenn nicht in der Sprache
Ihres neuen Vaterlands, für welches Sie den Schatz des Priamos gefunden ha-
ben?”
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Schliemann stellt ihm sein neuestes Buch in Aussicht, das in wenigen Wo-
chen erscheinen und das, wie er sagt, „definitiv das größte Problem der Geschichte
lösen” werde
.
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Er will sich ferner dafür einsetzen, dass der König [Georg I.] v.
Muralt für sein großes Werk der byzantinischen Chronographie mit dem griechi-
schen Erlöserorden auszeichnet.
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Brief vom 21. August 1869 (BBB 28, 226–227).
21
Brief vom 24. August 1869 (B 64, 325a).
22
BBB 28, 474–475.
23
Brief vom 30. März 1871 (B 66, 81a–b).
24
Brief vom 9. September 1873 (B 68, 299).
25
Brief vom 20. September 1873 (BBB 33, 93).