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dies nicht nur gesellschaftlich, sondern auch durch ihr gemeinsames Interesse an
Sprachen, genoss Schliemann doch im Sommer 1858 während dreier Wochen La-
teinunterricht bei Eduard von Muralt.
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Nach ihrem Wegzug aus Russland blieben die beiden wohl in lockerer Verbin-
dung; den brieflichen Kontakt nahm Schliemann am 12. August 1869 von Paris
aus wieder auf, indem er v. Muralt das Buch schickte, das er zusammen mit einer
griechisch und lateinisch verfassten Vorrede der Universität Rostock als Disserta-
tion eingereicht hatte: „Hochgeehrter Herr von Muralt! Ich erlaube mir heute Ih-
nen ein Exemplar meines letzten Werkes ,Itaque, le Péloponnèse & Troie
‛
mit der
ergebenen Bitte zuzusenden dasselbe zu lesen und als schwachen Beweis meiner
Freundschaft und Hochachtung für meinen einstigen Lehrer der lateinischen Spra-
che als zumAndenken von mir anzunehmen. [.....] Für obiges Werk, wovon ich ein
Exemplar nebst griechischer Dissertation u. griechischem Curriculum weiter an
die Universität Rostock sandte, hat mir letztere das Doctor Diplom Philosophiae
geschickt.“
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Damit war ihre Beziehung auf eine neue Basis gestellt: sie konnten sich nun so-
zusagen als Kollegen begegnen, was v. Muralt in seiner Antwort vom 20. August
gleich anspricht: „Verehrter Herr Doctor, Ich freue mich Sie als College begrüßen
zu können und finde, dass die Universität Rostock ganz Recht gethan hat, Ihnen
eine solche Anerkennung Ihrer Verdienste zu gewähren
.
“
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Er bietet ihm seinerseits eigene Publikationen als Gegengeschenk an und inter-
essiert sich in Hinblick auf seine noch ungedruckten Bände der byzantinischen
Chronographie für Schliemanns Verleger. Auf die Frage nach dem Ergehen der Fa-
milie berichtet ihm Schliemann ausführlich von seinen Eheproblemen und seiner
vor kurzem erwirkten Scheidung; da ihm jedoch „die fortwährende Einsamkeit im
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Er erwähnt diese Tatsache im Brief vom 12. März 1869 an seinen Vetter Adolph Schliemann („Die
lateinische Uebersetzung hat mich viele Mühe gekostet, da ich die Sprache seit Kalkhorst nicht ge-
übt u schon gänzlich wieder vergessen hatte, als ich im Jahre 1858 drei Wochen lang mit Professor
Muralt in Petersburg dies Idiom wieder vornahm u mich später durch Lesen der Classiker darin
vervollkommnen durfte
.
“ [BBB 28, zweite, unpaginierte Seite, mit 0b bezeichnet; Teilabdrucke bei
Meyer 1936, Nr. 7; Richter 1992, 168]) und etwas knapper in seiner Autobiographie von 1881, wo
er sich im Vornamen irrt („Im Sommer 1858 nahm ich mit meinem verehrten Freunde Professor
Ludwig [sic] von Muralt meine Studien der lateinischen Sprache wieder auf, die fast 25 Jahre
geruht hatten
.
“, dazu Anm. 1: „Professor von Muralt wohnt jetzt in Lausanne in der Schweiz
.
“
Schliemann 1881, 19). Eine Bestätigung findet sich in E. v. Muralts „Erinnerungen“ (s. Anm. 11)
zum Jahr 1858: „Am 21. [sc. April] gab ich Schliemann die erste lateinische Stunde, er fing gleich
mit lateinischen Briefen u mit den Georgica an.“
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BBB 28, 190–191. Zur Promotion vgl. auch unten mit Anm. 77.
19
B 64, 320a–b.