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Die Briefe von und an Eduard von Muralt betreffen insbesondere die Jahre zwi-

schen 1869 und 1881,

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während die Korrespondenz mit Jakob Mähly erst 1881

einsetzt.

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Aus der Fülle der in der Korrespondenz erörterten Themen greife ich das der

Hauslehrerinnen heraus, das eine wichtige Rolle spielt. Man hat oft belustigt oder

empört zur Kenntnis genommen, dass Schliemann seine akademischen Freunde

für ein ebenso heikles wie nebensächliches Geschäft wie die Suche nach Erzie-

herinnen eingespannt hat.

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Üblicherweise war die Suche nach weiblichem Per-

sonal eher Sache der Hausfrau,

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doch Schliemann lag es daran, das Heft in der

Hand zu behalten, war ihm doch neben der Hilfe im Haushalt ein zweiter Aspekt

ebenso wichtig: die Kandidatin musste mehrsprachig sein, damit Sophia und die

Kinder möglichst viele Fremdsprachen lernten. Das setzte ein beträchtliches Maß

an Bildung voraus, und so liegt es auf der Hand, dass immer wieder interessante

junge Frauen bei Schliemanns tätig waren. Von den meisten kennen wir allerdings

kaum mehr als den Namen – oft sogar nur ihren homerischen Namen, den sie bei

Schliemanns tragen mussten

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–, doch zu Kalypso aus Basel haben sich recht viele

Informationen erhalten,

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so dass ich auf sie etwas näher eingehen werde (siehe An-

hang). Im übrigen ist klar, dass die Tätigkeit als Erzieherin jungen, eigenständigen

Frauen im 19. Jahrhundert eine der wenigen Möglichkeiten bot, ihren Horizont

zu erweitern und sich eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, anstatt aus der

Obhut des Elternhauses gleich in die ihres zukünftigen Mannes zu kommen. Dass

Schliemann mit Vorliebe Schweizerinnen wählte, liegt wohl einerseits an den zu

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In Schliemanns Kopierbüchern (s. dazu Easton 1982, 104–106; Kennell 2007, 786–788) tragen die

Briefe an E. von Muralt folgende Signaturen: BBB 28, 190–191. 226–227. 474–475; BBB 29, 292;

BBB 33, 93; BBB 38, 208. 225; BBB 42, 477; BBB 43, 8. 11. An Originalbriefen (s. dazu Easton

1982, 106; Kennell 2007, 787) von E. von Muralt an Schliemann sind in Athen erhalten: B 64, 320.

325; B 66, 81. 86; B 68, 299. 334; B 85, 165; B 86, 502; B 87, 584

.

5

Schliemann an J. Mähly: BBB 38, 240. 244. 305. 308. 309; BBB 40, 228. 229. 243. 245; BBB 39,

281–282. 321; BBB 40, 329–330; BBB 42, 45. 123. J. Mähly an Schliemann: B 87, 581; B 92, 390;

B 96, 73; B 97, 582; B 105, 617.

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Wie sehr Schliemann dafür etwa die Dienste seines großen Förderers, des Anthropologen Rudolf

Virchow, in Anspruch genommen hat, kommt deutlich in der Korrespondenz der beiden zum Aus-

druck (Herrmann/Maaß 1990, Briefe Nr. 26. 29. 31. 34–44); dabei geht es um das Engagement

der Mecklenburgerin Marie Mellien („Briseis“). Vgl. auch Traill 1995, 191; zu Marie Mellien vgl.

Anm. 9.

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In späteren Jahren scheint das auch bei Schliemanns der Fall gewesen zu sein; vgl. unten mit

Anm. 64 und 65.

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Vgl. Brief von Schliemann an Virchow vom 8. Juli 1879 (Herrmann/Maaß 1990, Nr. 38).

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Noch mehr ist offenbar über die oben Anm. 6 genannte Marie Mellien bekannt; vgl. Zavadil (im

Druck). Ich danke Dr. Michaela Zavadil (Wien) sehr für die freundlich gewährte Einsicht in ihr

Manuskript.