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Schliemann hatte seine Kindheit
in Ankershagen in seiner von ihm
im Buch „Ilios“ veröffentlichten
Autobiographie
2
als „glücklich“
geschildert, bis der frühe Tod der
Mutter im Jahre 1832 die Famili-
enidylle für immer zerstört hatte.
An dieser Darstellung zweifelte
erstmals der Schriftsteller und
Historiker Emil Ludwig
(1881-
1948, Abb. 2),
als er Ende der
zwanziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts die Gelegenheit
erhielt, die bis dahin noch nicht
veröffentlichten und noch im Fa-
milienbesitz befindlichen Briefe
und Tagebücher Schliemanns
einzusehen und mit Schliemanns
Witwe Sophia und seiner Tochter
Andromache zu sprechen. 1932
erschien als Romanbiographie
3
die erste kritische Lebensbe-
schreibung Schliemanns, die sich
nicht an das überlieferte Schlie-
mannbild hielt und in Widerspruch zu Schliemanns eigenen Darstellungen geriet.
Ludwig entwarf ein zutreffendes Bild von den damaligen Zuständen im Eltern-
haus Schliemanns und von der Persönlichkeit des Vaters. Er überschrieb das erste
Kapitel seiner Romanbiographie, das die Kindheit in Ankershagen schildert, mit
den Worten „Dunkle Jugend“
4
. Wir erhalten zum ersten Male Hinweise auf die
von Schliemann verschwiegenen Gründe des „schweren Misgeschicks und Un-
glücks“
5
in seinem Elternhaus nach dem frühen Tod Mutter.
Ernst Meyer
(1888-1968, Abb. 3),
dem die Kinder Schliemanns im Jahre 1937
das alleinige Veröffentlichungsrecht am schriftlichen Nachlass übertragen hatten,
2
Heinrich Schliemann: Ilios, Stadt und Land der Trojaner. Forschungen und Entdeckungen in der
Troas und besonders auf der Baustelle von Troja. Mit einer Selbstbiographie des Verfassers. Leip-
zig 1881. Im Weiteren: Schliemann 1881.
3
Emil Ludwig: Schliemann. Geschichte eines Goldsuchers. Berlin/Wien/Leipzig 1932. ImWeiteren:
Ludwig 1932.
4
Ludwig 1932, S. 33f.
5
Schliemann 1881, S. 6.
Abb. 2 – Emil Ludwig (1881-1948)