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den Achill-Hektor-Agon ursprünglich in Mittelgriechenland. Er zitiert Bethe wie

folgt: „Achills Kampf mit Hektor, am Hellespont unmöglich, wird, ins Mutter-

land zurückgeführt, begreiflich als Niederschlag geschichtlicher Nachbarkämpfe

ihrer Stämme“.

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Achaier war der Name auch für das Volk, dem Achill angehörte,

und nicht nur eine Gesamtbezeichnung für die Griechen. Diese Achaier, so Be-

the/Kolbs Überlegungen, und die möglicherweise zur vorgriechischen Bevölke-

rung gehörenden Troer seien in Mittelgriechenland ansässig gewesen und dort

im Streit aneinander geraten. Die Erinnerung daran, später zum Troia-Mythos

geworden, wäre dann im Zuge der frühesten griechischen Kolonisation an der

kleinasiatischen Westküste, als Ergebnis der so genannten „äolischen“ Wande-

rung, aus Mittelgriechenland in die Troas transferiert worden. Das wiederum

spräche dafür, „dass die Troer in Kleinasien eine poetische Fiktion“ darstellten.

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Im Zusammenhang mit dieser These ist bemerkenswert, dass es im griechisch

kolonisierten nördlichen Schwarzmeergebiet an der Mündung des Borysthenes

(Dnjepr), auf der Tendrosker Nehrung (im Altertum

Achilleios dromos

), ein

Achilles-Heiligtum gab. Dort fanden, wie aus der Literatur (Hdt. 4, 55; Strab.

7, 307), mehreren Inschriften und Ostraka hervorgeht,

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Agone zu Ehren des

schnellfüßigen Achill statt, der auf dieser Sandstrecke im Wettlauf mit Freun-

den den Sieg errungen haben sollte. Die mehrtägigen Wettkämpfe waren auf Ge-

heiß des delphischen Orakels vielleicht schon im 6. Jahrhundert v. u. Z. gestiftet

worden und wurden von der Polis Olbia ausgerichtet.

18

Teilnehmer und Besucher

kamen in erster Linie aus den Griechenpoleis der Region, aber auch, wie die ge-

fundenen Münzen vermuten lassen,

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aus einigen Städten an der kleinasiatischen

Westküste, darunter aus Milet, der Metropole Olbias. Eine gewisse Ausnahmeer-

scheinung im Rahmen dieser Agone war das Wettschießen mit dem Bogen, die

ihren Grund offenbar im Neben- und Gegeneinander von Griechen und Skythen

hatte oder gar ein Hinweis auf das hohe Alter der Festspiele ist (erinnert sei an

die Parallele des Bogenschießens auf eine Taube während der Kampfspiele zu

Ehren des Patroklos in der „Ilias“). M. V. Skržinskaja sieht im Achill der „Ilias“

das Vorbild für den olbischen Achilles auf der Tendrosker Nehrung.

20

Valerij Jaj-

15

F. Kolb, a. a. O., S. 75f.

16

Ebenda, S. 78 – 80.

17

Inscriptiones orae septentrionalis Ponti Euxinii, Petropoli 1916 (IOSPE), I², 34 (2. Jh. v.u.Z.), 195

(4. Jh. v.u.Z.)

18

M.V. Skržinskaja, Sostjazanija na drevnegrečeskich prazdnikach v Severnom Pričernomor’e (=

Wettkämpfe während antik-griechischer Feiertage im nördlichen Schwarzmeergebiet), in: RA

(Rossijskaja archeologija) 2004, Nr. 2, S. 30-33.

19

A.N. Zograf, Nachodki monet vmestach predpologaemych svjatilišč na Černomor’e (=Münzfunde

an Plätzen vermuteter Heiligtümer am Schwarzen Meer), in: SA (Sovjetskaja archeologija) 1941,

Nr. 7, S. 153.

20

M.V. Skržinskaja, a. a. O., S. 32