Background Image
Previous Page  27 / 240 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 27 / 240 Next Page
Page Background

27

Der Beste sein – Das agonale Prinzip in Homers „Ilias“

zwischen Spiel und Wirklichkeit

Armin Jähne

Jakob Burckhardt schreibt im 4. Band seiner epochalen „Griechischen Kultur-

geschichte“ im Kapitel 2 „Der koloniale und agonale Mensch“ das Folgende:

„Und nun das Agonale. Während die Polis einerseits das Individuum mit Ge-

walt emportreibt und entwickelt, kommt es (das Agonale – A. J.) als eine zweite

Triebkraft, die kein anderes Volk kennt, ebenso mächtig hinzu, und der Agon ist

das allgemeine Gährungselement, welches jegliches Wollen und Können, sobald

die nötige Freiheit da ist, in Fermentation bringt. In dieser Beziehung stehen die

Griechen einzig da“.

1

Soweit Burckhardt! Der Begriff des Agons ist, trotz seiner

Eindeutigkeit, im Sinne von Kampf oder Wettstreit jeglicher Art gebraucht zu

werden, in sich differenziert. Mit ihm kann der Fest- oder Kampfplatz ebenso be-

zeichnet werden wie der sportliche und musische Wettkampf, das Wagenrennen,

der Wettkampf oder das Kampfspiel per se, aber auch der Redekampf vor Gericht

(„Agon“ als „der stehende

terminus technicus

für ‚Prozeß’“),

2

der politische Par-

teienkampf oder der Krieg als militärischer Agon. Mit Agon können des Weiteren

allgemein die Anstrengung, eifrigstes Bemühen oder soziales Durchsetzungs-

vermögen, die soziale Selbstbehauptung gemeint sein.

3

Seine Anwendung hat

sowohl eine spielerische als auch eine sehr realitätsnahe Dimension. Ein – in

gewisser Weise – Synonym ist mit der nach Hesiod (Op. 10–29) doppelgesichtig

zu definierenden Eris gegeben, die es in einer älteren, positiven Variante als Göt-

tin friedlichen Wettbewerbs bzw. friedlicher, alltäglicher Konkurrenz (Rivalität)

gibt. „Selbst noch den Trägen erweckt sie in gleicher Weise zur Arbeit. Jeden

ergreift ja die Lust zur Arbeit, wenn er des anderen Reichtum sieht, schon eilt

er zu pflügen, zu pflanzen und das Haus zu bestellen. Der Nachbar läuft mit

dem Nachbarn um die Wette zum Wohlstand; so nützt diese Eris den Menschen“.

Damit ist das agonale Prinzip in die produktive Sphäre, in den Grundlagenbe-

1

J. Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte, Bd. 1-4, Berlin/Stuttgart 1902, 4, S. 89 (ferner

als GK); vergleiche auch H. Bengtson, Agonistik und Politik im alten Griechenland, in: ders.,

Kleine Schriften zur Alten Geschichte, München 1974, S. 190-207. Ch. Meier, Kultur um der

Freiheit willen. Griechische Anfänge – Anfang Europas?, München 2009, S. 166-170 sieht wie

schon Burckhardt im Agonalen, „trotz aller Einwände, die dagegen vorgebracht wurden, … eine

Besonderheit der Griechen“. Siehe auch S. 319 und A. Demandt, Der Idealstaat. Die politischen

Theorien der Antike, Köln etc. 1993, S. 141f.

2

J. Burckhardt, GK 4, S. 121.

3

Siehe die einschlägigen Griechisch-deutschen (englischen, russischen, französischen etc.)

Wörterbücher.