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Morgens in meinem Garten …“ Als Grund gab er eine unglückliche Liebe von

Paul an, der sich Mitte August verloben wollte. Die Eltern der Braut aber waren

dagegen, weil Paul kein gesichertes Einkommen hatte. Er hätte ihm darauf drin-

gend geraten, sich für immer von diesem Mädchen zu trennen. Paul habe dies

aber nicht tun wollen. „Er hat durch seine letzte Schandthat das Glück und die

Ruhe seines alten Vaters und aller seiner Geschwister für immer untergraben

…!

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Kurze Zeit später informierte der Vater Heinrich, dass er sein Grundstück für

4000 Taler verkauft und auch Hoffnung habe, seine noch laufenden Geldprozesse

zu gewinnen. Er werde zum 1. Mai eine kleine Wohnung in der Gegend mieten

und sich dann zur Ruhe setzen. Er solle ihm kein Geld mehr überweisen.

Die späte Heirat von Schliemanns Schwester Wilhelmine

Wilhelmine verkündete Heinrich am 2. 9. 1852 völlig überraschend, dass sie seit

8 Tagen mit Wilhelm Kuhse verlobt sei.

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Er habe vor mehreren Jahren sein Ober-

lehrerexamen gemacht, war fünf Jahre lang Lehrer am Gymnasium in Greifs-

wald, zurzeit aber ohne feste Anstellung, die er aber bald erhalten werde. Sie

erinnerte ihren Bruder an sein Versprechen, dass er im Juli 1852 jeder seiner

Schwestern die schriftliche Zusicherung gegeben hatte, ihnen bei ihrer Verhei-

ratung „als Heiratsgut“ 2000 Taler auszuzahlen

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. Jetzt wäre der Zeitpunkt da,

es zu erfüllen. Sie sei auf das Geld für ihre Aussteuer und zur Einrichtung ihrer

Wohnung sehr angewiesen. Wilhelm habe sich kein Geld sparen können, weil er

sich um seine alte Mutter und eine früh verwaiste Nichte habe kümmern müs-

sen. Deshalb bat sie Heinrich flehentlich, ihr das Geld, wenigstens aber 100 Rt,

recht bald zu schicken. Aber Heinrich reagierte zunächst nicht auf die wiederholt

geäußerten Bitten von Wilhelmine. Dann teilte er ihr in einem geschäftlichen

Ton mit, dass er ihr und den Schwestern die versprochene Heiratssumme erst bei

ihrer Verheiratung auszahlen werde. Vorerst würde er ihnen ab 1. Januar 1853

eine jährliche Rente von 100 Rt aussetzen, die er halbjährlich überweisen lassen

würde. Nach ihrer Verheiratung hätten sie von ihm aber nichts mehr zu erwarten.

Beiläufig teilte er Wilhelmine noch mit, dass er seit dem 24. 10. 1852 mit Kathari-

na Lyshina verheiratet sei und beschrieb ihre neue prachtvoll eingerichtete Woh-

nung in St. Petersburg. Für die Möblierung eines einzigen Prachtzimmers hätte er

1000 Rt aufgewandt. Schließlich ließ Heinrich an Wilhelmine 100 Rt überweisen,

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GL Serie B, Box 7, Folder 7 / 7102

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GL Serie B, Box 7, Folder 7 / 7051

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Archiv HSM K 72 (Nachlass Martin Karsten)