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die 2000 Taler nicht zu zahlen und dem Vater stattdessen jährlich 200 Taler für

dessen Unterhalt zu überweisen. Wilhelmine begrüßte seine Entscheidung: „Du

würdest Dein so mühsam erworbenes Vermögen gleichsam verschleudern, wenn

Du um Vaters 2000 Th. zu retten, das Gut kauftest … Eigentlich ist es doch aber

entsetzlich, daß es mit Vater dahin kommen mußte, - aber Gott ist stets gerecht

und er lässt ihn jetzt in das sich selbst bereitete Verderben hineingehen“.

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Von Ludwig traf endlich Ende März 1850 nach mehrmonatigem Schweigen ein

Lebenszeichen aus Sacramento bei Heinrich ein. Es war der letzte Brief, den

Heinrich von ihm erhielt. Er berichtete darin von seinen abenteuerlichen Lebens-

umständen, von Überfällen, Diebstählen und vom Gelben Fieber, das ihn befal-

len und beinahe umgebracht hätte.

Heinrich erhielt am 20. Juli 1850 durch Post aus New York die offizielle Nach-

richt vom Tod des Bruders, der am 20. Mai in Sacramento im Alter von 25 Jahren

an Typhus gestorben war. Noch am selben Tage schrieb Heinrich einen Brief an

seinen Vetter Fritz Wachenhusen nach Vipperow, wo sich Dorothea und Elise

bei dessen Vater aufhielten. Er bat ihn, die Schwestern „ganz allmählich und

langsam“ auf das Unglück vorzubereiten. Zuvor solle er Dorothea einen beilie-

genden Brief von ihm zu lesen geben, worin er ihr schrieb, dass er in Folge ei-

nes Traumes ahne, dass Ludwig krank sei (!).

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Auch dem Vater schrieb er noch

an diesem Tage von seinem Traum, ohne die Todesnachricht mitzuteilen. Dieser

durchschaute Heinrichs Absicht, ihn damit nur auf den Tod Ludwigs vorbereiten

zu wollen. Er teilte Heinrich mit, dass sich seine Ahnungen vom tragischen Ende

des vielgeliebten Sohnes, um den er „viele heiße Thränen“ vergossen habe, nun

bestätigt hätten. Er bezweifelte aber, dass er auf dem Krankenlager gestorben

sei und glaubte an einen gewaltsamen Tod durch Mörderhand. In einem Brief an

Heinrich machte er Ludwig wegen seiner Auswanderung Vorwürfe, er hätte jetzt

seine Gastwirtschaft übernehmen können.

Die Schwestern nahmen die Nachricht vom Tode des geliebten Bruders Ludwig

mit großer Erschütterung auf. Sie wussten, dass der Vater sechs Briefe Ludwigs

unbeantwortet gelassen hatte, in denen dieser den Vater flehentlich um die Aus-

zahlung seines ihm zustehenden mütterlichen Erbes gebeten hatte, bevor er nach

Amsterdam gehen wollte. Mit beißendem Hohn hätte er Ludwigs klagende, bit-

tende Briefe ignoriert.

Heinrich entschloss sich, Anfang Dezember 1850 nach Kalifornien zu reisen, um

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GL Serie B, Box 6, Folder 2 / 5836

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GL Serie BBB, Volume 9 / 150