Background Image
Previous Page  203 / 240 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 203 / 240 Next Page
Page Background

203

So kam es, dass am 18. Oktober des Jahres 1978 die konstituierende Sitzung des

„Schliemann-Beirates“, eines durch den Rat des Kreises Waren berufenen ehren-

amtlichen Gremiums, mit der Errichtung einer Schliemann-Gedenkstätte beauf-

tragt wurde. Neben den oben erwähnten Bürgern bot auch ich meine Mitarbeit

an, hatte ich doch seit dem 1. 9. 1978 meine Tätigkeit als Lehrer in Ankershagen

angetreten.

Die nun folgenden Jahre waren ein steiniger Weg, immer auf das Ziel ausgerich-

tet, aber kontrovers und von Vorbehalten gekennzeichnet. Man muss sich vor-

stellen, nicht jeder der Verantwortungsträger brannte für Schliemann. Geld war

knapp wie heutzutage, und als wir es dann auch noch wagten, den Ort für die

Erinnerungsstätte in den Gemeinderäumen zu bemängeln und eine Etablierung

im Pfarrhaus vorschlugen, einem Gebäude, welches der evangelischen Kirche

zugehörig war, wurde von staatlicher Stelle erst einmal „gemauert“.

Das Schliemann-Bild in der DDR war damals sehr umstritten, hatte doch Schlie-

mann sein Vermögen, was ihn in die Lage versetzte, seinen zweiten Lebensab-

schnitt als Altertumsforscher zu finanzieren, seiner Zeit als Großkaufmann in

Russland zu verdanken. Aus der Sicht der DDR-Ideologie gesehen also als Ka-

pitalist und Kriegsgewinnler am Krimkrieg und Amerikanischen Bürgerkrieg.

Die evangelisch-lutherische Kirche erwies sich jedoch unserem Vorhaben ge-

genüber sehr aufgeschlossen. Der in Ankershagen seinerzeit amtierende Pfarrer,

Herr Blaschke, zeigte seine Bereitschaft, auf drei kleinere ungenutzte Räume im

Pfarrhaus zu verzichten, um für eine Schliemann Gedenkstätte Platz zu machen.

Inzwischen hatten wir Recherchen über Schliemann-Literatur angestellt, die

Neubukower Schliemann-Gedenkstätte besucht, die unter einem günstigeren

Stern stand, als sie gegründet wurde, denn Schwierigkeiten sind oftmals von Per-

sonen abhängig und dort waren wohl tolerantere Leute die Entscheidungsträger,

denn sie existierte schon seit 1972.

Im Ergebnis all unserer Recherchen war klar, unsere Ausstellung sollte ein kri-

tisches Schliemann-Bild zeichnen, einen Mann würdigen, der sich aus kleinsten

Verhältnissen mecklenburgischer Abgeschiedenheit emporgearbeitet hatte, mit

all seinen Fehlern und Schnurren, aber auch seiner unendlichen Energie, seinem

Selbstvertrauen und seinem Werk, der Menschheit 2000 Jahre Geschichte ge-

schenkt zu haben.

Das Jahr 1979 war gekennzeichnet durch die Vorbereitungsarbeiten. Der Kreis

Waren stimmte inzwischen der Einrichtung einer Gedenkstätte im Elternhaus