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Heinrich am 8. Juni 1848 einen letzten Brief aus Amsterdam.

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Er teilte ihm mit,

dass er in wenigen Stunden mit der „Mississippi“ nach New York absegeln wer-

de. Er habe erkannt, wie verschieden ihre Charaktere wären, und er wünsche

sich daher nichts sehnlicher, als unabhängig seinen eigenen Herd zu gründen.

Er habe sich entschlossen, sich in den westlichen Staaten, z. B. Kalifornien, nie-

derzulassen, um dort einen kleinen Handel zu beginnen. Sein wenig Erspartes

reiche dafür aber nicht aus. Er wolle dafür das ihm zustehende mütterliche Erbe

verwenden, das ihm der Vater aber vorenthalte, weil dieser wohl selber pekuniäre

Probleme habe. Er bat Heinrich deshalb um eine Bevorschussung dieser Summe.

Wie wir in späteren Briefen erfahren, hat Heinrich seinen Wunsch nicht erfüllt.

Die Schwestern in Mecklenburg waren in den ersten Monaten des Jahres 1849

voller Unruhe, weil sie von Ludwig längere Zeit keine Post mehr erhalten hatten.

Sie befürchteten, dass er in Kalifornien zu den Goldgräbern gegangen und bereits

ermordet worden wäre. Endlich traf im Oktober ein Lebenszeichen von ihm aus

Sacramento ein. Darin teilte er mit, dass er gemeinsam mit sechs anderen Aus-

wanderern sein Glück in den neu entdeckten Goldminen am Sacramento-River

versuchen wolle. Die Arbeit wäre sehr schwer, die meisten könnten das Klima

nicht länger als acht Tage überstehen. Er fühle sich aber stark und sei optimis-

tisch.

Der Vater hatte inzwischen sein Gut Schweckowisena verkauft und war nach

Dtsch. Eylau in ein Mietshaus gezogen. Weil der Käufer zahlungsunfähig war,

hatte er das Geld für den Verkauf vom Käufer jedoch nicht erhalten, er verklagte

diesen deswegen.

Mitte Februar 1850 traf bei Heinrich in St. Petersburg vom Vater eine neue Hi-

obsbotschaft ein.

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Der teilte ihm nämlich mit, dass er in Dtsch. Eylau vor wenigen

Tagen günstig ein großes Grundstück mit einer Gaststätte, einem Kaufmannsla-

den und Ländereien käuflich erstanden habe. Er sähe darin eine gute Kapitalanla-

ge und könnte es gewinnbringend weiterverkaufen. Sollte ihm das nicht gelingen,

wolle er es verpachten und die zweite Etage zu seiner Wohnung machen. Wenn

sich aber in kurzer Zeit kein Pächter finden würde, so werde er genötigt sein, die

Gastwirtschaft nebst dem Kaufladen auf eigene Rechnung zu betreiben und ein-

zurichten. In drei Wochen müsste er das Kaufgeld von 2000 Talern überweisen,

das er aber derzeit nicht besitze. Heinrich musste dieses Schreiben des Vaters als

Hilferuf an ihn auffassen. Er war fassungslos und informierte umgehend seine

Schwestern über die Situation und trostlose Lage des Vaters. Er entschloss sich,

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GL Serie B, Box 3, Folder 3 / 3147

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GL Serie B, Box 6, Folder 1 / 5726