 
						190
Schwestern Dorothea und Wilhelmine hatten bei Verwandten ihrer verstorbenen
Mutter in Mecklenburg ein Unterkommen gefunden.
Nach langjährigen Gerichtsverhandlungen wurde Schliemanns Vater, den die
Gemeinde und die Kirchenleitung als Pastor aus moralischen Gründen ablehnten,
gezwungen, Ankershagen zu verlassen. Im Mai 1838 siedelte Ernst Schliemann
mit seiner neunjährigen Tochter Louise und seinem siebenjährigen Sohn Paul
nach Gehlsdorf bei Rostock über. Kurze Zeit später heiratete er sein Dienstmäd-
chen Sophie Behnke. Am 7. 5. 1839 wurde Schliemanns Stiefbruder Karl, am
15. 7. 1841 Stiefbruder Wilhelm, genannt Ernst, geboren. Ende 1841 erwarb der
Vater in Westpreußen, in dem kleinen Dorf Jamielnik
(Kr. Löbau), 12 km von
Dtsch. Eylau entfernt, ein kleines Anwesen und zog mit seiner Familie dorthin
um. Im Frühjahr 1842 starb dort Sohn Karl, noch nicht einmal drei Jahre alt. Am
1. 11. 1843 wurde von Schliemanns Stiefmutter Sophie die Tochter Auguste gebo-
ren, deren Vater aber nicht Ernst Schliemann, sondern der Gutsbesitzer des Ortes
war. Der Vater erkannte das Mädchen als seine Tochter an.
Das Schicksal von Schliemanns Bruder Ludwig
Im Brief Heinrich Schliemanns vom 20. 2. 1842 an seine älteren Schwestern Wil-
helmine und Dorothea aus Amsterdam
4
, wohin er sich nach seinem Schiffbruch
vor der Insel Texel im Dezember 1841 durchgeschlagen und im Handelshaus L.
Hoyack & Co. Arbeit gefunden hatte, bat er diese, seinen Bruder „Louis“ (ge-
meint ist Ludwig, der Verf.) von ihm zu grüßen. Wenn dieser noch kein Enga-
gement angenommen haben sollte, wolle er ihm gerne bei der Beschaffung einer
Kontorstelle in Amsterdam behilflich sein. Aus den Briefen erfahren wir nichts
über Ludwigs Lebensweg nach dem Wegzug des Vaters aus Ankershagen im
Jahre 1838. Inzwischen war er 18 Jahre alt geworden, und es hat den Anschein,
dass Ludwig in Neubrandenburg eine Kaufmannslehre absolviert hatte und nun
auf der Suche nach einer Arbeitsstelle im Ausland war. Heinrich hatte nach sei-
nem Besuch des Vaters in Gehlsdorf sieben Monate zuvor auf seiner Reise nach
Hamburg und seinen dabei gewonnenen negativen Erfahrungen den Entschluss
gefasst, zukünftig etwas für seine vernachlässigten Geschwister zu tun.
Am 1. April 1845 schrieb der 21-jährige Ludwig ein Abschiedsgedicht an seine
älteste Schwester Elise
5
, die sich nach dem plötzlichen Tod der Mutter um die
jüngsten Geschwister gekümmert und zu der er eine besondere innige Beziehung
4
E. Meyer, Heinrich Schliemann, Briefwechsel 1953, Bd.1, S. 33
5
Gennadius Library (nachfolgend GL) Serie B, Box 1, Folder 1/ 55
 
	
	 
					 
				 
				


 
		
