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Seite 76 Informationsblatt 32 Dezember 2020

Beiträge und Berichte

Anfang 1818 beginnen die Konversationshefte, mit denen der

taube Meister sich mit seiner Umwelt verständigte.

13

Er sprach

(in der Regel), während seine Gesprächspartner ihre Gedanken,

Antworten und Fragen in den Heften notierten. Zu den erschüt-

terndsten Momenten dieses Leidensweges zählt der 7. Mai 1824

als der taube Beethoven versuchte, die Uraufführung seiner 9.

Sinfonie selbst zu dirigieren, während hinter seinem Rücken

Kapellmeister Michael Umlauf das Orchester zusammenhielt.

Am Ende der Sinfonie brach ein Begeisterungssturm aus, den

Beethoven nicht vernahm und erst von einer Sängerin zum in

Ekstase geratenen Publikum herumgedreht werden musste.

Schliemanns Gehörleiden ist zumindest seit Beginn seiner Welt-

reise nachweisbar. Er war damals 42 Jahre alt. Ein Grund für

das Gehörleiden soll sein Baden im Meer bzw. in Seen bei jeder

Jahreszeit gewesen sein, also wie auch vielleicht bei Beetho-

ven durch Kontakte mit eiskaltem Wasser. Mit einer Wasserkur

wollte er schon im Sommer 1841 in Bentwisch (nahe Rostock)

sich von seinen Brustleiden befreien.

Im Sommer 1864 war er in Ägypten, kehrte aber zur Heilung

von sog. Nilpusteln vorerst nach Europa zurück. In Italien litt

er bald darauf an heftigen Ohrenschmerzen, die er dann in Paris

ambulant behandeln ließ. Von seinem Geschäftspartner Schrö-

der (London) bekommt er den Hinweis auf Professor Tröltsch in

Würzburg. Dieser stellte eine Verengung des Gehörgangs sowie

Wucherungen am Trommelfell fest, die wahrscheinlich durch

Erkältungen hervorgerufen waren. Schliemann verließ Würz-

burg nach drei Wochen im besseren Zustand. Von Tröltsch be-

kam er den Rat, „einige Male täglich tief zu atmen und Mund

und Nase zu stopfen, um die Luft durch die Ohren zu treiben.“

14

Im weiteren Verlauf seines Lebens traten die Probleme mit dem

Gehör immer wieder mal auf.

Rudolf Virchow berichtet darüber in „Der Gartenlaube“ 1891

(Nr. 4): „Es war im letzten Frühjahr auf einer Reise durch den

Ida, die wir zusammen während der griechischen Osterwoche

unternahmen, daß seine Schwerhörigkeit, welche sich schon

seit Jahren bemerkbar gemacht hatte, ziemlich schnell und fast

zur Taubheit sich steigerte. Schliemann erzählte mir, daß er

sich schon im Jahre 1864 während seiner Reise um die Welt in

Java einer schweren Operation auf dem einen Ohre unterzogen

habe. Seit dieser Zeit war er niemals ganz frei von leichteren

Störungen gewesen und auch schon vor unserem Aufbruche

zum Ida war eine nicht unerhebliche Zunahme der Schwerhö-

rigkeit eingetreten. Indeß machte er daraus keinen Gegenstand

der Klage.“ Tags darauf verschlechterte sich Schliemanns Gehör

immer mehr, so dass er den Freund nicht mehr verstand. Starke

Schmerzen stellten sich ein. Virchow untersuchte Schliemanns

Ohr und „fand eine so starke Anschwellung, daß der Gehörgang

13 Karl-Heinz Köhler, Grita Herre und Dagmar Beck: Ludwig van

Beethoven, Konversationshefte (11 Bände), Leipzig 1968-2001.

14 Anton Friedrich Freiherr von Tröltsch (1829-1890). Seit Febru-

ar 1857 begann er als Augen- und überwiegend als Ohrenarzt zu

praktizieren. 1864 erschien sein erster Band „Archiv für Ohren-

heilkunde“. Mit Hermann Schwartze (Halle/Saale) und Adam Po-

litzer (Wien) ist er der Begründer der modernen Ohrenheilkunde

im deutschsprachigen Raum. Zur Diagnose vgl. auch Ernst Mey-

er: Heinrich Schliemann. Kaufmann und Forscher, Göttingen-Zü-

rich-Berlin-Frankfurt 1969, S. 185.

vollkommen verschlossen erschien. … Es konnte kein Zweifel

darüber sein, daß es sich um wirkliche Knochenauftreibungen,

sogenannte Exostosen, handelte.“

Virchow machte Schliemann klar, dass die Beseitigung dieser

Exostosen nur durch eine schwere Operation erfolgen kann, der

er sich aber nur im Notfall

unterziehen sollte. Der be-

rühmte Ausgräber ließ sich

dann doch am 13. Novem-

ber 1890 in Halle/Saale von

dem in seinem Fachgebiet

ebenfalls sehr berühm-

ten Professor Hermann

Schwartze (1837-1910, Abb.

10) an beiden Ohren operie-

ren. Der Eingriff war in der

Tat sehr schwer. Doch der

ungeduldige Patient fuhr

bereits vier Wochen später

nach Leipzig zu Brockhaus,

nach Berlin zu Virchow,

dann weiter nach Paris, wo

er wieder an den Ohren be-

handelt werden musste. Auf

dem Weg zu seiner griechischen Familie in Athen brach er am

25. Dezember in den Straßen Neapels zusammen und verstarb

dort (an einer Meningitis mit Halbseitenlähmung rechts mit

Aphasie) einen Tag später.

6. Die Brunswicks

Das Genealogie-Portal „Geneanet“ mit Sitz in Paris listet unter

dem Familiennamen „Brunswick“ 71.506 Einträge auf.

15

Somit

ist es nicht sehr außergewöhnlich, dass auch Beethoven und

Schliemann mit Vertreterinnen und Vertretern dieses Perso-

nenkreises in Verbindung gebracht werden können. Brunswick

(„Braunschweig“) ist aber auch ein weitverbreitetes Toponym

und steht noch für vieles andere. Was den Trojaforscher betrifft,

so ist der Name in der Tat nur ein Wimpernschlag in seinem

Leben, für den Komponisten jedoch ist er Teil seines Lebens

und Wirkens: Josephine von Brunswick war seine große Lie-

be und mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine „Unsterbliche

Geliebte“.

Einen Tag nach Beethovens Tod fand sich in einem Geheim-

fach ein dreigeteilter Brief („am 6ten Juli Morgends“, „Abends

Montags am 6ten Juli“, „guten Morgen am 7ten Juli“), der 1840

erstmals von seinem Amanuensis Anton Schindler veröffent-

licht wurde. Er beinhaltet vier Unbekannte: den Namen der

Adressatin, das Jahr seiner Abfassung, den Absende- und den

Bestimmungsort. Das führte dazu, dass seitdem zahlreiche Mu-

sikwissenschaftler und Laien versuchen, das Rätsel zu knacken.

Die Adressatin wird im Brief mit „meine unsterbliche Gelieb-

te“ angesprochen. Etwa 15 verschiedene Frauen wurden in den

knapp 200 Jahren in ihr vermutet. Durch die Nennung des Wo-

15 S. unter

https://de.geneanet.org/genealogie/brunswick/BRUNS-

WICK.

Abb. 10 – Prof. Hermann Schwartze