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Seite 73

Informationsblatt 32 Dezember 2020

Beiträge und Berichte

Beethovens Beschäftigung mit der Antike ist eingebettet in

die klassischen Studien im Zeitalter der Aufklärung (Win-

ckelmann, Wolf, Lessing, Goethe, Schiller etc.) und der

französischen Revolutionszeit, die ja an antike, genauer:

römische Verhältnisse anknüpfte, sowie in seinem allgemei-

nen Wissensdrang, aus jeder Epoche und Region die Ge-

danken der Weisesten zu erfassen und sie sich als Künstler

und Mensch zu eigen zu machen. An der Bonner Universi-

tät besuchte er mit seinen Freunden auch die Vorlesung über

griechische Literatur durch den „revolutionären Professor“

Eulogius Schneider (1756 – 1794). Von ihm ist die Aussage

überliefert, dass ein guter Geschmack und echte Humanität

vorzüglich durch das Studium der alten Griechen und Rö-

mer hergestellt werden muss. Altgriechisch und Latein, jene

Sprachen, die beim genauen Studium des Altertums wich-

tig sind, beherrschte Beethoven zeitlebens nicht. Doch war

er später sehr stolz auf die Altgriechisch-Kenntnisse seines

Neffen Karl (1806 – 1858).

Er selbst führte oft lateinische Redewendungen im Munde.

Nulla dies sine linea - Kein Tag ohne Linie (Arbeit).

Diese

Devise des griechischen Malers Apelles, die sich mit Goe-

thes Grundsatz von der unablässigen Tätigkeit deckt, mußte

dem schöpferischen Genie aus dem Herzen sprechen.

Beethovens Beschäftigung mit der Antike hängt natürlich

eng mit seinem gesamten Umfeld zusammen. Damit meine

ich nicht nur die Beziehungen zu gebildeten Personen und

zur Universität, sondern das geistig-kulturelle Leben der

Städte Bonn und Wien allgemein. Dazu zählen dann auch

architektonische Einflüsse, also antikisierende Bauten, der

reiche Buchbestand in ihren Bibliotheken sowie das gesam-

te Repertoire der Theater in der kurfürstlichen Residenz am

Rhein und der Kaiserstadt an der Donau. Beethoven war

nicht der erste, und er ist nicht der letzte Komponist, der sich

mit der Antike auseinandersetzte. Erinnert sei hier nur an die

zahlreichen Opern mit antikem Hintergrund von Montever-

di, Händel und Gluck. Denken wir auch an Erik Saties sin-

fonisches Drama mit Singstimme in drei Teilen „Sokrates“

(1918), an Max Bruchs Oratorium „Achilleus“ (1885) oder

an Strawinskys „Oedipus Rex“ (1927). Seit der Renaissance

gehört in der Musik die Auseinandersetzung mit der Antike

dazu. Beethoven bildet in dieser Hinsicht also keine Aus-

nahme. Seine Beschäftigung mit der Antike ist also stets in

einem großen Zusammenhang zu sehen.

Heinrich Schliemann lebte zumindest seit 1868 für das Al-

tertum. Mit Homer in der Hand suchte er nach Troja. Später

wird der griechische Reiseschriftsteller Pausanias in My-

kene sein Führer werden. Trotz aller Fehler, die ihm unter-

liefen (die Spatenarchäologie steckte aber auch noch in den

Kinderschuhen!), seiner vorschnellen Schlussfolgerungen

und leider auch seiner mitunter unwahren Behauptungen,

kann heute keiner ernsthaft bezweifeln, dass die prähistori-

sche Forschung diesem Mann sehr viel verdankt:

Auf dem Hügel Hisarlık grub er ab 1871 einen bis dahin

unbekannten bronzezeitlichen Siedlungsplatz aus, den die

meisten Forscher als homerisches Troja anerkennen, wenn

auch in den Schichten VI h oder VII a und nicht, wie Schlie-

mann glaubte, in der Schicht II. Seine Sammlung „Troja-

nischer Alterthümer“ mit dem sog. Schatz des Priamos

schenkte er 1881 „dem deutschen Volk zu ewigem Besitz

und ungetrennter Aufbewahrung in der Reichshauptstadt“

(Abb. 6).

Abb. 5 – Beethoven als Zeus. Großplastik von Max Klinger (1902).

Original: Museum der bildenden Künste Leipzig

Abb. 6 – Schliemann bei der Aufstellung seiner „Trojanischen Altert-

hümer“ im Berliner Kunstmuseum 1881. Zeitschrift „Daheim“ 1882