Seite 78 Informationsblatt 32 Dezember 2020
Beiträge und Berichte
fache, sehr gebildete deutsche und hoffen, daß es Ihren freund-
lichen Bemühungen gelingt, uns eine solche zu verschaffen.
Eine Erzieherin, die für Ihr Haus passen würde, würde uns
ausgezeichnet konvenieren. Damen, die in großen aristokra-
tischen Familien lebten, können weder Ihnen noch uns kon-
venieren.“ Und Virchow schreibt am 28. Juni auch nicht ganz
für mich verständlich: „Ich glaube, Sie fassen das Verhältnis
von Frl. Brunswick zu exclusiv auf.“ Jedenfalls hat sich diese
Sache bald zerschlagen, denn am 4. Juli 1879 kommt bereits
ein Fräulein Marie Mellien ins Spiel.
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Wer diese Toni Brunswick war, ist nicht bekannt. Auch unter
dem Namen Antonie bzw. Antonia konnte ich sie nicht finden.
7. Jenny Lind, die schwedische Nachtigall
Johanna Maria (Jenny) Lind (Abb. 12) war eine schwedische
Sängerin, die am 6. Oktober 1820 in Stockholm geboren wurde
und am 2. November 1887 in Malvern, Worcestershire (süd-
westliches Großbritannien) verstarb. Sie galt als führende Ko-
20 Über diese hielt unser Beiratsmitglied Frau Dr. Michaela Zavadil
(Wien) am 1. Dezember 2019 im Vortragsraum des HSM den 27.
Sonntagsvortrag (neue Reihe): „Marie Mellien: Nur eine Lehrerin
in Schliemanns Haushalt?“.
loratursängerin ihrer Zeit und wurde die „Schwedische Nach-
tigall“ genannt. Mit zehn Jahren trat sie das erste Mal auf. Ihr
Operndebüt gab sie in Webers „Freischütz“ als Agathe am 7.
März 1838 in Stockholm. Spätere Rollen waren u. a. Pamina,
Euryanthe, Donna Anna, Lucia di Lammermoor, Gräfin in
Mozarts „Figaro“, Amina in „La sonnambula“ und vor allem
die Norma in Bellinis gleichnamiger Oper. 1844 geht sie nach
Berlin, später nach Hannover, Hamburg, Frankfurt am Main
und Darmstadt. Am 4. Dezember 1845 gastiert sie im Leipzi-
ger Gewandhaus unter Mendelssohn, Monate später in Wien.
Hier und anderswo feierte sie große Erfolge. Auch Queen Vic-
toria und Fryderyk Chopin waren von ihr begeistert. Es heißt
sogar, dass sie gern den Komponisten geheiratet hätte. Henri-
ette Sonntag, die 1824 mit erst 18 Jahren bei der Uraufführung
von Beethovens „Neunter“ die Sopran-Partie sang, bezeich-
nete Jenny Lind später als „erste Sängerin der Welt“. Johann
Strauß (Sohn) widmete ihr den Walzer „Lind-Gesänge“ op. 21.
Viele Bewunderer wären hier noch zu nennen. Vergessen wer-
den darf nicht, dass die mit hohen Gagen Ausgezeichnete, sehr
viel Geld für wohltätige Zwecke spendete.
Von 1850 bis 1852, tourte sie (nach einer überraschenden und
kurzen Gesangspause) durch die USA. Und damit nähern wir
uns Schliemann. Am 5. Februar 1852 heiratete Jenny Lind in
Boston den deutschen Komponisten, Dirigenten und Pianis-
ten Otto Goldschmidt (1829-1907). Und damit nähern wir uns
Beethoven.
Ihr weiterer Lebensweg sei kurz geschildert: Nach ihrer Rück-
kehr aus den Vereinigten Staaten wohnte sie in Dresden, ab
Sommer 1858 in London. Sie bekam zwei Söhne und eine
Tochter. Konzerttourneen führten sie nach Deutschland, Ös-
terreich und in die Niederlanden. Ihr letzter öffentlicher Auf-
tritt fand 1883 bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Bade-
ort Malvern statt, wo sie auch vier Jahre später verstarb.
Zahlreich sind auch ihre Ehrungen nach ihrem Tod. Straßen-
namen und Einrichtungen wurden nach ihr benannt. Das erste
Opernhaus in San Francisco hieß „Jenny Lind Opera House“.
Ihr Leben wurde mehrmals verfilmt. Auch im 15. Kapitel von
Theodor Fontanes Roman „Der Stechlin“ ist Jenny Lind und
ihr Ehemann Otto Goldschmidt Teil einer Plauderei.
Welche „Beziehungen“ hatte nun die große Sängerin zu Beet-
hoven und Schliemann? Persönlich keine. Aber wir können sie
trotzdem mit beiden Größen in Verbindung bringen.
Einen Tag nach Beethovens Tod fanden am 27. März dem
Komponisten nahestehende Männer in der Wohnung des Meis-
ters versteckt dessen persönlichste Dokumente seines Lebens:
den Brief an die „Unsterbliche Geliebte“ (s. den vorigen Punkt
6) und das sog. Heiligenstädter Testament. Dieses ist ein Brief
aus dem Weinort Heiligenstadt (heute 19. Wiener Bezirk) an
seine beiden Brüder Carl und Johann vom 6. bzw. 10. Oktober
1802, der wohl nicht abgeschickt wurde. In ergreifender Weise
beginnt Beethoven mit den Worten: „O ihr Menschen die ihr
mich für feindselig störisch oder Misantropisch haltet oder er-
kläret, wie unrecht thut ihr mir ihr wißt nicht die geheime ur-
ßache von dem; was euch so scheinet, …“ Und dann erzählt er
davon, dass bereits seit einigen Jahren sein Gehör ständig ab-
Abb. 12 – Jenny Lind. Porträt von Eduard Magnus (1861, nach einer
Vorlage von 1846). Original in der National Portrait Gallery London