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Seite 75

Informationsblatt 32 Dezember 2020

Beiträge und Berichte

Ich rate Ihnen daher nach dem Beispiele meiner Vorfahren zu

verfahren, denn mir ist Ihre Feindschaft unerträglich.“

11

Rudolf Virchow muss darauf positiv reagiert haben, denn am

1. Mai 1887 begann Schliemann seinen Brief an ihn mit dem

Ilias-Zitat und drei Wochen später beginnen die Briefe wie-

der mit „Verehrter Freund“. Leider haben wir in der Überlie-

ferung der Korrespondenz beider Männer zwischen 1885 und

1888 große Lücken, so dass zwischen dem 18. August 1885

und dem 18. Februar 1889 kein Brief von Virchow an Schlie-

mann existiert. Für eine erneuerte Freundschaft spricht aber

ihre gemeinsame Ägyptenreise im Frühjahr 1888.

5. Das Gehörleiden

Über die Todesursache Beethovens scheinen sich die Mediziner

weitgehend einig. Er starb nicht an der Lungenentzündung, die

er sich Monate zuvor zugezogen hatte, sondern an Autotoxika-

tion in Folge einer Leberzirrhose, die sich bereits 1821 durch

eine schwere Gelbsucht angekündigt hatte. Die Gründe dafür

werden kontrovers diskutiert, ebenso die Frage, welche Aus-

wirkungen akute Infekte und chronische Leiden auf Beetho-

vens Gehörleiden hatten.

12

Aus dieser Diskussion sollte sich aber ein Nicht-Mediziner he-

raushalten. Deshalb soll hier nur darauf hingewiesen werden,

dass die Obduktion Beethovens am 27. März 1827 (24 Stunden

nach seinem Tod) u. a. eine Verkümmerung der Gehörnerven

und eine auf das Vierfache des Normalen verdickte Gehör-

schlagader aufzeigte.

Wann Beethovens Ohrenprobleme begannen, lässt sich nicht

genau sagen. War der Auslöser bereits 1796 ein murines Fleck-

fieber oder ein Hörsturz während einer Probenarbeit, als er bei

einer Sängerin in Rage geriet? War es seine Angewohnheit,

sich mit eiskaltem Wasser zu überschütten, wobei er auf Unter-

mieter keine Rücksicht nahm? Es gibt zwei Briefstellen, die

den Beginn eingrenzen können.

An seinen Jugendfreund Gerhard Wegeler schrieb er am 29.

Juni 1801: „von meiner Lage willst du was wissen, nun sie wäre

11 Die Korrespondenz zwischen Heinrich Schliemann und Rudolf

Virchow 1876-1890, bearb. u. hrsg. v. J. Herrmann u. E. Maaß in

Zusammenarbeit mit Ch. Andree und Luise Hallof, Berlin 1990, S.

465, Nr. 484. Die homerischen Zitaten und beide Werke sind im

Brief im griechischen Original geschrieben. Ich habe sie hier der

Einfachheit halber in der Voss’schen Übersetzung und in der Ab-

kürzung wiedergegeben und vor „worauf“ ein Komma eingefügt.

– Alle weiteren Stellen aus dem Briefwechsel zwischen Rudolf Vir-

chow und Heinrich Schliemann stammen aus dieser Edition.

12 Typhus (murines Fleckfieber nach Berlin-Besuch 1796), Syphi-

lis (durch Obduktion nicht haltbar: keine Veränderung des Ge-

hirns und des Knochengerüsts), Blei- oder Arsenvergiftung (er-

höhte Bleikonzentration in den Haaren, aber keine Vergiftung),

Alkoholabusus (Missbrauch nicht haltbar, obwohl regelmäßiger

Alkoholkonsum), Brucelloseinfektion (eine durch Rinder übertra-

gene bakterielle Krankheit: Morbus bang, Maltafieber) oder auch

Borreliose als Grunderkrankung. S. dazu die Stichwörter „Krank-

heit“, Leichenöffnung“ und „Taubheit“ in: Heinz von Loesch u.

Claus Raab (Hgg.): Das Beethoven-Lexikon (= Das Beethoven-

Handbuch, hg. v. Albrecht Riethmüller, Band 6). Laaber 2008.

eben so schlecht nicht, …, nur hat der neidische Dämon, meine

schlimme Gesundheit, mir einen schlechten Stein ins Brett ge-

worfen nemlich: mein Gehör ist seit 3 Jahren immer schwächer

geworden, und das soll sich durch meinen Unterleib, …, er-

eignet haben, …, meine ohren, die sausen und Brausen tag und

Nacht fort; ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu,

seit 2 Jahren fast meide ich alle gesellschaften, weils mir nun

nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin Taub, hätte ich

ein anderes Fach, so giengs noch eher …“

An Carl Amenda, den er neben Wegeler und Stephan von

Breuning zu seinen besten Freunden zählte, schrieb er am 1.

Juli 1801: „wisse, daß … mir der edelste<n> Theil mein Gehör

sehr abgenommen hat, schon damals als du noch bey mir warst

[1798/99 in Wien – R. W.], fühlte ich davon spuren, und ich

verschwieg’s, nun ist es immer ärger geworden, ob es wieder

können Geheilt werden, das steht noch zu erwarten, …“ Auch

hier erwähnt er seine Probleme mit dem Unterleib.

Die Datierung der Briefe Beethovens muss meist aus deren In-

halt erschlossen werden, so dass anders als in der Briefwech-

sel-Gesamtausgabe manchmal das Jahr 1800 statt 1801 für bei-

de Briefe genannt wird. Das ändert aber nichts an der Tatsache,

dass der noch nicht einmal 30 Jahre alte Komponist und Pianist

(!) mit Gehörproblemen belastet war. Und sie wurden immer

schlimmer, was zwar dem Komponieren keinen Abbruch tat,

aber seiner steilen Pianistenlaufbahn und vor allem seinem ge-

sellschaftlichen Leben. So sah es auch Geheimrat Goethe nach

einem Treffen mit dem Meister 1812 in Teplitz und Karlsbad.

Bereits 1804 hat Beethoven auf Orchesterproben Probleme, die

Blasinstrumente zu hören. Ab 1813 lässt er sich vom k. k. Hof-

Kammermaschinisten Johann Nepomuk Mälzel, vor allem be-

kannt als „Erfinder“ des Metronoms, Hörrohre für das linke

Ohr anfertigen (Abb. 9) und vom berühmten Klavierfabrikan-

ten Johann Andreas Streicher Trichteraufsätze für das Klavier

bauen.

Abb. 9 – Beethovens Hörrohre (Exemplare befinden sich in Bonn und

Wien)