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Seite 60 Informationsblatt 32 Dezember 2020

Beiträge und Berichte

dass ich auch gerne die Stadt [Karthago – U. P.] sehen würde,

gegen die das alte Rom gekämpft hat. Mir wurde gesagt, dass es

dort einige Ruinen gibt, die ich sehr gerne sehen würde, weil ich

in den Büchern der alten Autoren so viel über die Kriege gegen

diese Stadt gelesen habe.

26

[…]

Dann ging ich zum Souk [Markt – d. Red.], um einen roten Fez

[die typisch tunesische konische Kappe – U. P.] zu kaufen. Ich

habe alle Läden gesehen, die sie herstellen, aber die Preise sind

sehr hoch, deshalb habe ich einem Juden ein Trinkgeld gegeben,

um mich zu einem Laden zu bringen, der sie mit hochwerti-

gen Stoffen herstellt ... [am nächsten Tag wird er einen für seine

Größe und in Blau abholen – E. S.]. […]

[S. 13] 2. Juni

Heute bin ich mit dem Konsul von Russland zum Bardo gefah-

ren, wo sich der Bey‘s Palast mit seinem Hof ​befindet. Einige

der hochrangigen Staatsbeamten zeigten mir die Räume und

den Thronsaal mit dem Empfangsraum der Konsuln. Ich war er-

staunt, dass die Wände des Thronsaals mit Porträts der Könige

Europas (Abb. 16)

27

sowie hervorragenden verschiedenen Kalli-

graphien mit Koranversen verziert sind. […] Ich wurde Khaz-

nadar vorgestellt, mit dem ich ein Gespräch mit zwei Dolmet-

schern geführt habe, weil er die vokalisierte Sprache [d.h. klas-

sisches Arabisch – U. P.] nicht versteht. Ich hatte geglaubt, dass

Khaznadar der Bey ist, also machte ich den schwerwiegenden

Fehler, ihm zu sagen, dass er den Aufstand leicht unterdrücken

könnte, wenn er im ganzen Land die wichtigsten Orte und Städ-

te besuchen würde, damit sich die Menschen vor Ort verbeugen

und bat um Vergebung. Khaznadar muss verstanden haben, dass

ich falsch lag, denn er sagte mir „der Bey ist krank, aber sobald

26 Es bezieht sich offensichtlich auf: Silius Italicus, Punica; Titus Li-

vius, Ab Urbe condita; Polybius, Die Geschichten; Timaios von

Tauromenion, Geschichte Roms; Dionysius von Halikarnass, Rö-

mische Frühgeschichte; Gnaius Nevius, Bellum Punicum; Diodo-

ros Siculus, Bibliotheca Historica sowie - offensichtlich - Vergils

„Aeneis“.

27 Die meisten dieser Gemälde sind heute im Palast von Ksar Said

ausgestellt: Prinz Leopold von Bayern (1846 - 1930), Friedrich

VII. von Dänemark (König von 1848 bis 1863), Franz Joseph I. von

Österreich (Kaiser von 1848 bis 1916), Vittorio Emanuele II. (Kö-

nig von Sardinien von 1849 bis 1861 und dann König von Italien

von 1861 bis 1878), Napoleon Bonaparte III. (Kaiser von 1852 bis

1870).

er gesund wird, wird er meinem Rat folgen“. Ich erkannte dann,

dass er ein geschickter, kluger und hochkompetenter Mann ist.

Er weiß, wie man dem Souverän so schmeichelt, dass er die

Schlüsselfigur ist, weshalb der Bey ihn nicht verdrängt. Aber

Khaznadar wird von allen Gegnern gehasst, die vergeblich um

seinen Rücktritt bitten. Khaznadar sagte mir, er werde morgen

Soldaten schicken, um den Aufstand zu unterdrücken.

[E.S.]

3. Juni

Heute morgen nahm ich eine Kutsche und fuhr mit dem Diener

des Konsuls nach Karthago. Wir hielten auf der Straße vor dem

Hügel [die Byrsa] an, auf dem sich ein französischer Bauern-

hof befindet, der von einer sehr hohen Mauer umgeben ist (Abb.

17).

28

Dort sammelten wir einige Marmorstatuen und Fragmen-

te farbiger Mosaike mit Fischen und anderen Meerestieren. Auf

dem Hügel stand in der Antike die Akropolis von Karthago mit

den Schutzgöttern der Stadt. Rundherum gibt es die ältesten

Mauern, groß und dick. Dann ging ich zum Militärhafen hin-

unter (Abb. 18), der zweifellos reduziert wurde, um Land zu-

rückzugewinnen. Trotzdem bleibt er großartig und sehr wichtig.

Sein Einfallsreichtum beruht nicht nur auf dem Kanal, der ihn

mit dem Handelshafen verband, sondern auch auf einem ande-

ren Kanal, der zum Arsenal führte, in dem jede neue Flotte ge-

baut wurde. […] In der Mitte des Hafens befindet sich eine klei-

28 Auf der Spitze des Byrsa-Hügels, wo sich die Akropolis des an-

tiken Karthagos

befand.

Die Kathedrale von Ludwig IX., König

von Frankreich wurde zwischen 1884 und 1890 errichtet, d.h.

nach dem Besuch von Schliemann und zur Zeit des französischen

Protektorats. Aufgrund eines 1964 zwischen dem Vatikan und der

Tunesischen Republik unterzeichneten Abkommens wurde die Kir-

che an den tunesischen Staat abgetreten, der sie nach ihrer Ent-

weihung in ein Kulturzentrum umwandelte.

Abb. 16 – Tunis, der Bardo, der Thronsaal. An den Wänden die Ge-

mälde der europäischen Könige (um 1890)

Abb. 17 - Die nach Schliemanns Besuch erbaute Kathedrale von Louis

auf dem Byrsa-Hügel, wo die Akropolis des antiken Karthagos stand