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Seite 45

Informationsblatt 29 April 2018

Das Numismatische Museum ist eines von vielen sehenswerten

Museen in Athen. Seit 1998 befindet sich das Museum in dem

Palast, der für Heinrich Schliemann gebaut wurde. Der kostspie-

lige Palast wurde von dem Architekten Ernst Ziller entworfen

und in den Jahren 1878-1880 errichtet. Als das Haus vollendet

war, hielt man es für eine der vornehmsten Residenzen Athens.

Das Haus, das den Namen Ilíou Mélathron erhielt – Palast von

Troja –, wurde 1880 eingeweiht, und Schliemann zog im Ok-

tober desselben Jahres ein. In seiner neuen Residenz konnte

Schliemann den Mythos um die Antike vollkommen ausleben;

die Muster des Fußbodens enthielten zum Beispiel Motive von

Schliemanns eigenen archäologischen Funden. Und beim Ein-

weihungsball wurden die Gäste von Dienern empfangen, denen

Schliemann zu Ehren der Veranstaltung Namen aus der griechi-

schen Mythologie gegeben hatte (vgl.

„Informationsblatt der

Heinrich-Schliemann-Gesellschaft“

Nr. 18, November 2006, S.

38).

Einer der vielen, die der

Familie Schliemann ei-

nen Besuch abstatteten,

war der schwedische

Philologe und Schrift-

steller J. E. Centerwall.

Er besuchte Schliemann

im Herbst 1886. „Unter

allen in Athen ansässi-

gen Gelehrten“, schreibt

Centerwall, „dürfte der

bekannteste ein Auslän-

der sein, der Deutsche

Heinrich Schliemann

…“. Nachdem er ei-

ner auf Altgriechisch

geschriebenen

Einla-

dung Folge geleistet

hat, tritt er ein „durch

den prachtvollen, eben-

so wie das Dach des

Hauses mit Statuen verzierten Garten, einen dieser herrlichen

palmenreichen Athener Gärten, schreitet, empfangen von ei-

nem sich verbeugenden Diener namens Bellerophóntes, die

glänzende Marmortreppe hinauf, durchquert das reich verzierte

Vestibül und steht in einem eleganten, vielleicht etwas zu far-

benprächtigen Salon vor Schliemann und seiner Frau.“ Cen-

terwall beschreibt den Gastgeber als „einen kleinen, ziemlich

wohlgenährten Mann mit einem brillengeschmückten Gesicht

… „Es liegt etwas besonders Waches in seinem Blick. Sein Be-

nehmen ist das des höflichen Kaufmanns. Der Ehrengast wird

gefragt, welche Sprache er sprechen möchte; die Antwort legt

die Konversationssprache für heute fest, auch wenn ab und zu

viele andere Sprachen vorkommen, da in diesem Haus ein Au-

tor meistens in der Sprache zitiert wird, in der er geschrieben

hat. Wenn Schliemann mit mir persönlich sprach, ließ er hin

und wieder Schwedisch einfließen, mit dem er einigermaßen

zurechtkommt.“

Dann nimmt die Gesellschaft zum Abendessen Platz: „Neben

dem Gastgeber zur Rechten sitzt Mrs. D´Ooge, die hübsche und

lustige Ehefrau des damaligen Direktors des hiesigen Ameri-

kanischen Archäologischen Instituts, und zur Linken [der Ar-

chäologe und Generalephoros der griechischen Altertümer] Ka-

vvadías. Dann folgt Herr Athanásios Roussópoulos, ehemaliger

Professor an der Universität Athen und ein ziemlich bekann-

ter Archäologe und Antiquitätenhändler. Ferner ein englischer

Professor und Mr. D´Ooge, dann eine deutsche Gouvernante,

umringt von Andromache und Agamemnon, die nicht irgend-

welche Antiquitäten sind, sondern Schliemanns wohlerzogene

und aufblühende Kinder, ganz wie andere Jugendliche mit der

Ausnahme, dass sie von Homer eine ganze Menge auswendig

können“. Centerwall selbst hat Frau Schliemann zur Nachbarin:

„Angenehm, leicht und ungezwungen fließt ihr Reden dahin:

Sie versteht es, jeden Gast zu interessieren und in den Strom

der Unterhaltung einzubeziehen.“ Das Tischgespräch, „das be-

reits vonAnfang an muntere Saiten angeschlagen hat, dreht sich

hauptsächlich um Amerika und Schweden, worüber später alle

Gäste einigermaßen Bescheid wissen.“ Sodann kommt man zu

klassischen Themen: „Aus den bauchigen Champagnerkelchen

erheben die Schmetterlinge des Scherzes ihre Flügel. Bald be-

ginnt ein Wortwechsel mit homerischen Versen… Hier in die-

sem Haus, auf diesem klassischen Boden ist die Antike kein

toter Buchstabe: Sie lebt und hat alle Sinne durchdrungen.“

Das Abendessen nähert sich seinem Ende. Der Gastgeber bringt

„eher in guter Absicht als mit Redekunst … einen Toast auf das

schöne Schweden aus, auf dessen ‚gelehrten und geistreichen

König‘ … Schliemann spricht mit Begeisterung von unserer

Hauptstadt, ‚beinahe ebenso schön wie Athen‘, aus seinem

Mund das größte Lob, das man sich denken kann.“

Dann geht der Abend zu Ende: „Das Mahl ist vorbei, aber wir

bleiben noch eine Weile bei Kaffee und Zigaretten sitzen. …

Danach nehmen wir Abschied unter vielen eleganten Verbeu-

gungen des Gastgebers. Der Unterzeichnete [= Centerwall,

Anm. d. Ü.] wird vom Gastgeber übertrieben höflich hinaus bis

zur Treppe begleitet. Das muss ein Anblick für Götter gewesen

sein, den kleinen, weltberühmten Multimillionär zu sehen, wie

er sich vor dem armen, unauffälligen schwedischen Schulmeis-

ter verbeugt.“

So schreibt Centerwall in seiner Reiseschilderung

„Från Hel-

las och Levanten: ströftåg till lands och vatten i Grekland och

Mindre Asien“ [Von Hellas und der Levante: Streifzüge zu Land

und Wasser in Griechenland und Kleinasien

, Anm. d. Ü.], die

Beiträge und Berichte

„Auf diesem klassischen Boden ist die Antike kein toter Buchstabe“

Zu Besuch bei Schliemanns in Athen

1

1 Übersetzung aus dem Schwedischen von Ulrich Keßler, Bad Schwartau,

Mitglied der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft Ankershagen e.V. und

der Föreningen Svenska Atheninstitutets Vänner (Verein der Freunde des

Schwedischen Instituts zu Athen, Stockholm). Der Beitrag ist unter dem

Titel

„PÅ DENNA KLASSISKA MARK ÄR ANTIKEN INGEN DÖD

BOKSTAF“: PÅ BESÖK HOS SCHLIEMANNS I ATHEN

zuerst in der

Zeitschrift

„HELLENIKA“

Nr. 146, Dezember 4/2013, S. 13 ff. erschienen,

die von der Föreningen Svenska Atheninstitutets Vänner herausgegeben wird.

J.E. Centerwall (Foto: Riksarkivet)