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Seite 47

Informationsblatt 29 April 2018

Im Jahre 1964 schrieb Vincenzo Tusa, Superintendent der Ar-

chäologie für das westliche Sizilien: „

Im Zusammenhang mit

Schliemann mag es interessant sein, sich daran zu erinnern,

dass er sich auch für Mozia interessierte ... einen Hinweis gibt es

von Schliemann selbst

1

über Ausgrabungen in der Akropolis von

Mykene: Er fand zwei Pfeilspitzen in pyramidaler Form, ganz

den karthagischen Pfeilspitzen ähnlich, die er in Mozia zumVor-

schein brachte. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass Schlie-

manns Ausgrabung in der Nähe von Porta Nord durchgeführt

wurde, wo es gewöhnlich Pfeile dieser Art gibt.“

2

Da ich mich mit dem Briefwech-

sel zwischen Schliemann (Abb.

1) und Fiorelli seit einem Jahr

beschäftige, bin ich auf seine Gra-

bungsberichte und Briefe in Be-

zug auf Mozia gestoßen, die ich

hier teilweise wiedergeben werde.

Die Grabungen von Schliemann

auf Mozia fanden in einer für

Schliemann besonders schwieri-

gen Lebensphase statt.

3

Im Jahre

1875 hatte die osmanische Regie-

rung Schliemann die Genehmi-

gung für die weiteren Ausgrabun-

gen in Troja wegen der illegalen

Ausfuhr des „Schatzes des Priamos“ nach Athen verweigert und

einen Prozess gegen Heinrich Schliemann in Athen angestrebt.

4

Infolgedessen sah sich Schliemann nach einem neuen Erfolg

versprechenden Betätigungsfeld um. Er hoffte, in Italien einen

adäquaten prähistorischen Grabungsplatz zu finden. Heinrich

Schliemann zog auch in Erwägung, seinen Wohnort in Athen

aufzugeben und sich mit der gesamten Familie in Italien anzu-

siedeln. In diesem Vorhaben wurde er vom Kultusminister Rug-

giero Bonghi, vom Generaldirektor der Ausgrabungen und Al-

tertümer Giuseppe Fiorelli und vielen anderen hohen Beamten

unterstützt, mit denen er als weltberühmter Mann bekannt war.

1 Schliemann 1879, S. 196.

2 Tusa 1964, S. 11-18, bes. S. 14:

“A proposito di Schliemann, sarà forse

interessante ricordare che Egli s’interessò pure di Mozia … un accenno né

da Schliemann stesso (Mycenes, Paris 1879, p. 196), a proposito degli scavi

nell’acropoli di Micene e di una freccia colà rinvenuta a forma di piramide

simile a quelle cartaginesi da lui rinvenute a Mozia: questo fatto c’induce a

pensare che le ricerche dello Schliemann siano state eseguite nei pressi di

Porta Nord, dove solitamente si rinvengono freccie di questo tipo.“

3 Vor Jahren wollte der Journalist La Ferla willkürlich über Schliemanns Tod

ein düsteres Bild herstellen: Mario La Ferla,

L'ultimo tesoro

, Viterbo (Stam-

pa Alternativa) 2006; vgl. Antonella Cilento,

Bestiario napoletano

, Bari

(Laterza) 2015. Er wäre das Opfer der Freimaurerei, von internationalen

Intrigen und von der sizilianischen Mafia gewesen, indem er in Neapel mit

vergiftetem Kaffee im Auftrag von einem Mafia-Chef ermordet wurde. Die-

ser Boss wollte seine Hände auf vermeintliche punische Schätze legen, die

Schliemann auf Mozia ausgegraben hätte. Wir wissen, dass Schliemann einer

Freimauer-Loge sowohl in Paris als auch in Athen angehörte. Am 15. Okto-

ber 1889 schrieb ihm der Architekt Ernst Ziller, der das

Iliou Melathron

bau-

te, und bat um Geldunterstützung für die Athener-Loge, die 1867 gegründet

worden war. Leider sind die Listen der Angehörigen im letzten Weltkrieg ver-

loren gegangen. S. Wilfried Bölke, „Athener Freimaurer bitten Schliemann

um Unterstützung“, in: Informationsblatt der HSG 28 (März 2017), S. 38.

4 Traill 1988, S. 273-277.

Die Idee einer möglichen Alternative zu Troja hatte ihm sicher

Giuseppe Fiorelli nahegebracht, den er in Neapel 1868 während

seiner ersten Italien-Reise (damals nur als Tourist) kennenge-

lernt hatte. Schon damals hatte sich Fiorelli als freundlicher Ge-

sprächspartner erwiesen.

Infolgedessen durch-

forschte er im Jahre

1875 Mozia, Sege-

sta, Taormina, Syra-

kus, Arpino, Capri

und Populonia (in

chronologischer Rei-

henfolge, Abb.2).

5

Er hatte aber in Itali-

en keine Funde aus-

gegraben, die „

ihm

würdig waren“,

wie

er es in einem Brief

an Fiorelli vom 1.

November 1875 zum

Ausdruck brachte:

Wenn Sie, verehr-

ter Herr Direktor, es

wünschen, dass ich

mich in Italien nie-

derlasse und mich

hier für die Wissenschaft nützlich mache, dann helfen Sie einen

Ort zu finden, der mir nach den gigantischen Erfolgen von Troja

würdig ist.”

6

Erschwerend kam hinzu, dass auch die italienischen hohen Be-

hörden sich immer weniger hilfsbereit ihm gegenüber auf Grund

des Skandals der „Schatz-Entführung“ zeigten, und die inter-

nationale akademische Welt ihn auf Grund seiner angeblichen

„oberflächlichen“ Interpretation der Grabungsschichten nicht

immer ernst nahm. So entschied sich Schliemann, das italieni-

sche Lebensprojekt zu beenden und zog es vor, nach dem der

Prozess in Athen mit einem für Schliemann günstigen Urteil

beendet werden konnte, nach Athen zurückzukehren und Weih-

nachten mit seiner Familie zu verbringen.

Dass ihn das Glück aber nicht verlassen hatte, zeigte sich in den

folgenden Jahren: Mit seinen Grabungsergebnissen vor allem in

Mykene (1876) und in Tiryns (1884/85) schenkte er den Grie-

chen und der Welt 1000 Jahre bisher unbekannter griechischer

(mykenischer) Geschichte.

7

5 Shepherd 2009-2011, S. 143-165.

6 GLS, Copybook, BBB 35, S. 80 -81: ”Se Lei, Egregio Signore Direttore,

desidera che io possa stabilirmi in Italia e mi faccia qui utile alla scienza,

favorisca giovarmi di trovare un sito degno di me dopo i lavori giganteschi

di Troia.”

7 Schliemann 1892; Ernst Meyer, Briefe von Heinrich Schliemann, Berlin

1936; Ernst Meyer, Heinrich Schliemann. Briefwechsel, aus dem Nachlass

in Auswahl 1: von 1842 bis 1875, Berlin

(Gebr. Mann)

1953; Ernst Meyer,

Heinrich Schliemann. Briefwechsel, aus dem Nachlass in Auswahl 2: von

1876 bis 1890, Berlin

(Gebr. Mann)

1958; Ernst Meyer, Heinrich Schlie-

mann. Kaufmann und Forscher, Göttingen (Musterschmidt-Verlag) 1969.

Beiträge und Berichte

Heinrich Schliemann auf Mozia

Abb. 1 – Heinrich Schliemann, ca.

1877. London, National Portrait

Gallery, 13340

Die Ausgrabungen von Schliemann in Italien 1875

(aus Shepherd, op.cit., Abb. 2 S. 145)