Seite 40 Informationsblatt 29 April 2018
Beiträge und Berichte
der letzte Kommandant von Fort Ross, be-
auftragt.
Rotschew nahm zunächst Verhandlungen
mit der kanadischen Hudson’s Bay Compa-
ny
auf, diese lehnte dasAngebot im Jahr 1840
aber ab. Daraufhin wandte sich Rotschew an
den französischen Militärattaché in Mexiko-
Stadt,
Eugène Duflot de Mofras. Nach einem
Besuch in Fort Ross entschied sich auch
Duflot gegen einen Kauf. Daraufhin erhielt
Rotschew den Auftrag, Mexiko um ein Angebot zu bitten.
Doch auch die Mexikaner lehnten ab – zum einen, weil sie Fort
Ross ohnehin als auf ihrem Gebiet liegend ansahen, und zum ande-
ren, weil sie hofften, dass sich die Russen auch ohne weitere Inter-
vention aus Kalifornien zurückziehen würden.
Ende 1841 nahm Rotschew schließlich Kontakt mit Johann August
Sutter, einem kalifornischen Grundbesitzer Schweizer Abstammung
auf. Sutter willigte in den Kauf für die Summe von 30.000 Dollar
ein und am 1. Januar 1842 stach das letzte russische Schiff von
Bodega Bay in Richtung Nowo-Archangelsk in See. Damit war das
russische Engagement in Kalifornien nach rund 30 Jahren beendet
(aus Wikipedia – deutsch – zum Stichwort „Fort Ross“).
Der Name Alexander Gawrilowitsch Rotschew war mir auch im
Tagebuch Schliemanns begegnet, aber erst in einer Eintragung un-
ter:
„Sacramento, 17. Februar [1852]. Heute hatte ich Besuch von
Alexander Gawrilowitsch Rotschew aus St. Petersburg, und ich lud
ihn ein, mit mir zu essen. Herr Rotschew ist ein sehr talentierter
Mann, der viel gereist ist und ein großes Stück von derWelt gesehen
hat. Er schreibt mit der größten Geläufigkeit Spanisch, Englisch,
Französisch, Portugiesisch, Deutsch, Italienisch, Holländisch und
Russisch und ist in der Literatur und vielen anderen nützlichenWis-
senschaften gut bewandert. Bis zu vorgerückter Stunde genoß ich
die Unterhaltung mit Herrn Rotschew und muß gestehen, daß ich
nie in meinem Leben einen fähigeren oder gewandteren Mann gese-
hen habe als ihn. Nachdem ich einen Tag in der Gesellschaft eines
so gebildeten Mannes, wie Rotschew es ist, verbracht habe, wird
es mir morgen doppelt lästig und widerwärtig sein, mit den Leu-
ten zu sprechen, mit denen ich in Californien zusammenleben muß.
Herr Rotschew baut am Yuba River eine Mühle zum Auswaschen
von Goldstaub, und ich bezweifle nicht im geringsten, daß es ihm
bei seinem eisernen Willen und der Zielsicherheit seines umfassen-
den Verstandes gelingen wird, in diesem Lande großen Reichtum zu
sammeln“
(Stoll 1958, S. 110).
Die behauptete Begegnung soll nach Schliemanns Aufzeichnung
also mehr als 10 Jahre nach der Aufgabe von Fort Ross und der
damit verbundenen Beendigung der Tätigkeit Rotschews stattge-
funden haben – diese zeitliche Differenz und damit die Möglichkeit
einer persönlichen Begegnung beider ist nur über die Lebensdaten
des A. G. Rotschew aufzuklären:
„Alexander Gawrilowitsch Rotschew (
Ротчев, Александр
Гаврилович
) wurde 1806 in Moskau geboren. Er stammt aus einer
Offiziersfamilie oder einer Architektenfamilie und war ein russi-
scher Schriftsteller und Reisender sowie der letzte Vorsteher von
Fort Ross.
Mitte der 1820er Jahre trat er in die Moskauer Universität ein
und war ständiger Teilnehmer eines gesellschaftlich-literarischen
Zirkels, in dem Gedichte gelesen, über die russische Geschichte
gestritten und die Werke von Kant, Fichte und Schelling erörtert
wurden. Hier trug R. seine ersten Gedichte vor. Er veröffentlichte
in den Folgejahren Gedichte und Übersetzungen in verschiedenen
Zeitschriften. Im Jahre 1829, dem Geburtsjahr seines Sohnes, war
R. gezwungen, das Universitätsstudium abzubrechen, um seine
Familie zu unterstützen und übersiedelte mit der Familie nach Pe-
tersburg, wo er sich beim Büro der Sankt-Petersburger Staatsthe-
ater als Kopist und Übersetzer u. a. in den Sprachen Französisch,
Englisch und Deutsch betätigte. Im Frühjahr 1835 wechselte er in
eine Anstellung bei der Hauptverwaltung der Russisch-Amerikani-
schen Kompanie, und im August desselben Jahres begab er sich mit
Familie nach Russisch Amerika.
Im August 1838 wurde R. zum Hauptverwalter des Kontors der
Siedlung Ross (Fort Ross) ernannt, der südlichsten Siedlung Rus-
sisch Amerikas, und übte die Funktion des Leiters der Kolonie bis
Ende 1841 aus. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Forts waren
verlustbringend, und Ende 1841 wurden die Gebäude sowie das
unbewegliche und bewegliche Vermögen der Kolonie dem Mexika-
ner Schweizerischer Herkunft, John Sutter, übertragen. Am Ende
des Lebens sagte R. in Erinnerung an die Zeit seines Lebens in
Amerika: ‚Was für ein zauberhaftes Land ist dieses Kalifornien. Ich
verbrachte dort die besten Jahre meines Lebens, ehrfurchtsvoll tra-
ge ich die Erinnerungen an diese Tage in der Seele…‘
Zurück in Petersburg setzte R. seine literarische Tätigkeit fort und
veröffentlichte in den 1840er Jahren eine Reihe von Büchern und
Essays, z. B. „Das neue Eldorado in Kalifornien“ u. a. Im Jah-
re 1851 ging R. in den Ruhestand und begab sich erneut auf eine
Reise, die bis 1853 dauerte. In dieser Zeit besuchte er Kuba, Zent-
ralamerika, Kalifornien, Hawaii, Indien, Aden, Ägypten und Groß-
britannien, über deren gesamten Verlauf er seine Gedichte und
Reiseberichte über die Länder Amerikas, Asiens und Europas an
Petersburger Zeitungen sandte.
… R. starb am 20. August 1873 in Saratow. Aus der Ehe mit der Ad-
ligen E. P. Gagarina gingen ein Sohn (1829-1907) und eine Tochter
(1838-1914) hervor“
(aus Wikipedia – russisch – zum Stichwort
Ротчев, Александр Гаврилович
, frei übersetzt von Marlies Vopp-
mann)
A. G. Rotschew kann sich also zum Zeitpunkt der Tagebuchein-
tragung Schliemanns in Sacramento aufgehalten haben (nähere In-
formationen über die Reise waren in der Kürze der Zeit nicht zu
ermitteln) und somit ist angesichts der zutreffenden Schilderung
der Persönlichkeit Rotschews durch Schliemann im Tagebuch eine
Begegnung in Kalifornien sehr wahrscheinlich, auch wenn nicht
klar ist, ob Schliemanns Bemerkung über die wirtschaftlichen Am-
bitionen Rotschews sich auf die Vergangenheit (Fort Ross) oder
Gegenwart (1852) beziehen.
Zusammenfassend kann man wohl feststellen, dass beide Textstel-
len in Schliemanns Amerika-Tagebuch einen durchaus sachlichen
Bezug haben.
Peter Voppmann
17219 Schliemanngemeinde Ankershagen
Alexander Gawrilowitsch
Rotschew (1806-1873)