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schriften, Statuen, Vasen etc. – zu suchen“.
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Diesen Zustand unsystematischer
archäologischer Grabungen in Pantikapaion/Kertsch hat Schliemann während sei-
nes Kurzaufenthaltes in der Stadt vorgefunden. Insofern kann seine Beschreibung
der damaligen Situation durchaus als ein authentisches, archäologiegeschichtlich
interessantes Zeitzeugnis gelten. Noch 1949 schrieb Gajdukevi
č
, dass die Reste
von Pantikapaion bisher nie systematisch ausgegraben worden sind. Inzwischen
hat sich, seit Viktor D. Blavatskij 1945 dort mit den planmäßigen archäologischen
Forschungen begann, die Situation grundlegend geändert.
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In der Zeit seines kurzen Aufenthaltes in Kertsch konnte Schliemann nicht allzu
viel von den materiellen Resten Pantikapaions wahrnehmen, und er konnte das
Gesehene auch nicht archäologisch einordnen. Das soll kein Vorwurf sein, denn
Schliemann war dazu gar nicht in der Lage. Trotzdem hat er versucht, einige lai-
enhafte Schlussfolgerungen zu ziehen. Zwar war 1855 ein bemerkenswertes Buch
in deutscher Sprache erschienen, das einen guten Überblick über die Ureinwohner
der Schwarzmeerregion, vornehmlich die Skythen, und die dort kolonisierenden
Griechen mit ihren Städten bot. Die in diesem Buch sich findende recht umfas-
sende Beschreibung Pantikapaions, gestützt auf die antiken Quellen, auf Mün-
zen, Inschriften, auf die archäologischen Hinterlassenschaften und Funde, ging
weit über die knappen Beobachtungen Schliemanns hinaus.
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Eigentlich müsste
Schliemann von diesem Beitrag zur alten Geographie, Ethnographie und Handels-
geschichte im Süden Russlands gewusst haben, weil anzunehmen ist, dass gerade
bei den sporadisch oder mit einer gewissen Regelmäßigkeit in Schliemanns Haus
zusammen kommenden Altertumsfreunden das Interesse an solch einer Publika-
tion groß war, falls in ihrem Kreis auch Neuigkeiten aus dem zeitgenössischen
wissenschaftlichen Leben und der historisch-archäologischen Altertumsforschung
debattiert wurden.
2.2. Theodosia
Theodosia, ebenfalls eine antike Stadtgründung – Theudosia - und zum Bospora-
nischen Reich gehörend, erreichte der Schiffsreisende Schliemann am 28. August
1866 um 5 Uhr nachmittags. Ein Landgang schloss sich an, doch fehlen jegliche
archäologische Notizen. Das ist kein Zufall, denn, wie es 1855 in „Die Hellenen
im Skythenlande“ heißt: „An dieser Stätte der Verwüstung nach griechischen Al-
21
V. F. Gajdukevi
č
, Das Bosporanische Reich, Berlin/Amsterdam 1971, S.171.
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Ebenda.
23
K. Neumann, Die Hellenen im Skythenlande. Ein Beitrag zur alten Geographie, Ethnographie und
Handelsgeschichte, Berlin 1855, S. 477 – 532.