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und auch über die Aufsehen erregenden archäologischen Entdeckungen im Süden

Russlands geredet.

Schliemann war in diesem Kreis gelehrter und weniger gelehrter Männer zweifel-

los der geistig Nehmende, anderes schloss sich von selbst aus, sieht man einmal

von den Berichten über seine Reisen ab. Er empfing eine Vielzahl vonAnregungen

und erweiterte auf passive Weise sein Allgemeinwissen, und diese Stimuli veran-

lassten dann allem Anschein nach die schon erwähnten Briefe an seinen griechi-

schen Bekannten und Karl Laue 1856 und 1857.

Etwas jedoch bleibt merkwürdig. Wir haben auf der einen Seite den Altphilologen

und Althistoriker Michael Kutorga, der für neue Entdeckungen, das klassische Al-

tertum betreffend, ein offenes Ohr hatte und der fähig war, die Grabungen Schlie-

manns in Troia und Mykene, die ja die griechische Geschichte nach unten hin um

eine ganze historische Periode erweiterten, in ihrer umwälzenden wissenschaftli-

chen Bedeutung richtig einzuordnen. Auf der anderen Seite stand der erfolgreiche

Archäologe Schliemann mit den Ergebnissen seiner Grabungen, die von aller Welt

mehr oder weniger enthusiastisch, aber auch äußerst kritisch aufgenommen wur-

den. Es wäre nur naheliegend gewesen, wenn sich Schliemann auf den in Europa

geschätzten Althistoriker Kutorga rückbesonnen, damit eine alte Bekanntschaft

aufgefrischt und einen wichtigen Unterstützer für seine nicht unumstrittene Sache

gewonnen hätte. Leider, soweit ich weiß, gibt es keine Spur eines Briefwechsels

zwischen den beiden Männern. Das verstört ein wenig.

2. Archäologie im Süden Russlands im 18. und 19. Jahrhundert

Spricht man über die Anfänge der russischen Archäologie und über ihren weiteren

Werdegang im 19. Jahrhundert, so gilt es, einige Besonderheiten zu beachten:

1. die ersten Ansätze eines wissenschaftlichen Umgangs mit den ober- und unter-

irdischen Hinterlassenschaften der Vergangenheit finden sich in der Zeit Peters I.,

des Großen (1672 – 1725). Damals begann die gezielte Suche nach Altertümern,

um – nach westlichem Vorbild – die Kunstkammern des Zaren mit wertvollen

Dingen, Absonderlichkeiten und Schönem zu füllen.

Aber die Auffindung von Altertümern wurde nicht dem Selbstlauf oder Schatzsu-

chern, die es überall und immer schon gab, überlassen. Es war ein bereits forschen-

des Suchen, wenn Hügelgräber, vorgeschichtliche und mittelalterliche Wohnstät-

ten ausgegraben oder untersucht und die so genannten „kammenye baby“, die

steinernen Götzenbilder, fixiert und beschrieben wurden.