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schreibt: „Hätten Sie nicht vielleicht die Absicht, etwas auf Cypern zu unterneh-
men? Wenn Sie nicht selbst herkommen wollen & nur fürs erste einen kleineren
Versuch machen wollten, wollten Sie mich vielleicht mit einer Unternehmung be-
auftragen? Vielleicht könnten Sie einige Geldmittel flüssig machen?“
Bis zum Jahr 1887 sind keine weiteren handschriftlichen Schreiben der beiden
Briefpartner erhalten. Ein Brief vom September 1884, in dem Ohnefalsch-Rich-
ter die Arbeit Cesnolas stark kritisiert habe, ist bei Meyer erwähnt.
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Thematisch
knüpft daran der offene Brief an, den Ohnefalsch-Richter Anfang des Jahres 1885
in Druck gehen lässt und auch an Schliemann sendet. Es ist erstaunlich, dass sich
der akademische Außenseiter und archäologische Autodidakt Ohnefalsch-Richter
zum Ziel setzt, die Brüder Cesnola, insbesondere den jüngeren Luigi, als Scharlata-
ne zu entlarven. Doch er scheut Kontroversen nicht, im Gegenteil. Bereits sehr früh
beginnt er die Arbeiten der Beiden zu kritisieren. Nun protestiert er gegen die An-
griffe Luigi Palma di Cesnolas, die teilweise über die zypriotische Zeitung
Αλήθεια
geführt werden, und bittet die Adressaten seines Schreibens, nicht vorschnell zu
urteilen und Cesnola Glauben schenken zu wollen. Er erwarte einen Archäologen
in Zypern, der seine eigenen Ausgrabungen sowie jene Cesnolas kontrollieren sol-
le. Zudem kündigt er an: „Sobald ich den Atlas [„A descriptive atlas of the Cesnola
collection of Cypriote antiquities in the Metropolitan Museum of Art“, New York,
1885–1903] vor mir habe, werde ich seine Cardinal-Tugenden und Cardinal-Fehler
in einer Critic zusammenfassen“ (gedruckter Brief, datiert 12. 1. 1885).
Bereits in seinem ersten Brief an Schliemann äußert sich Ohnefalsch-Richter kri-
tisch über die Arbeitsweise der Brüder Cesnola. Schliemann antwortet darauf:
„Sie thun recht über die Ausgrabungen Ihrer Vorgänger die Wahrheit bekannt zu
machen“ (Brief vom 2. 5. 1883).
Luigi Palma di Cesnola,
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amerikanischer und russischer Konsul in Zypern ab
1865, hatte, bis er die Insel Richtung USA verließ, eine riesige Privatsammlung
zusammengetragen. Sie bildete den Grundstock des neu gegründeten Metropolitan
Museum in NewYork, dessen Gründungsdirektor er 1879 wurde. Er war der erste,
der in Zypern – oft unkontrolliert und undokumentiert – Grabungen in diesem
Umfang unternahm. Mit seinem „Schatz von Kourion“, den er 1875 aus Antiken
unterschiedlichster Fundstätten zusammengewürfelt hat, wollte er den „Schatz des
Priamos“ ausstechen. Im Sommer des Jahres 1875 war in seinen Briefen zu lesen:
„I have been rewarded by discovering in it [gemeint ist der „Kourion-Schatz“]
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Meyer 1958, S. 451, Anm. 286.
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Luigi Palma di Cesnola (1832–1904) war in Italien aufgewachsen; ausgewandert nach Amerika,
nahm er am Sezessionskrieg teil und wurde nach dessen Beendigung amerikanischer Staatsbürger.