
312
ten hätten können. So ist es naheliegend, dass er neben einer wissenschaftlichen
Beschäftigung mit Antiken mit diesen auch Geld verdienen möchte. Er bedient
Privatpersonen, den Kunsthandel und Museen; damit steht er in der Tradition Ha-
milton Langs oder Cesonolas. Diese Verquickung ist dem Ringen des Autodidak-
ten um Anerkennung in der akademischen Welt nicht förderlich.
Pekuniär in die Enge getrieben, lässt er sich mitunter außergewöhnliche Mittel
einfallen, um sein Leben und seine wissenschaftlichen Forschungen zu finanzie-
ren. Beispielsweise versucht er, sich im Sommer 1887 durch eine Verlosung Geld
zu beschaffen. Für vier von ihm gemalte Ölbilder gibt er mehrere Hundert Lose
aus, die er bis nach Übersee versendet.
9
Vor diesem Hintergrund muss auch der Schriftverkehr mit Schliemann betrachtet
werden. Gerne hätte er vom Ruhm seines Landsmannes profitiert, mit ihm ge-
meinsam Grabungskampagnen bestritten, in seinem Auftrag gegraben, oder we-
nigstens Beiträge von ihm in seinen Zeitschriften publiziert. Durch die seiner In-
terpretation nach großen Übereinstimmungen der Funde, insbesondere jener von
Alambra und Phoinikiais mit Hisarlık, sollte es möglich sein, in einem Atemzug
mit dem berühmten Zeitgenossen genannt zu werden; allein für Schliemann waren
diese nicht dermaßen augenfällig.
Im eingangs erwähnten ersten Schreiben Ohnefalsch-Richters an Schliemann, es
datiert vom 13. April 1883 und ist in Dali, einem Dorf im Südosten von Nikosia,
verfasst, legt der Schreiber die seiner Meinung nach gravierenden Parallelen zwi-
schen Zypern und Troja ausführlich dar und belegt diese mit zahlreichen Fundde-
tails, die er mit Abbildungen aus „Ilios“ vergleicht. Übereinstimmungen zu Hisar-
lık findet er aber nicht nur in der Antike, sondern auch in der Gegenwart Zyperns,
in der traditionellen Architektur und Töpferei. Er schreibt: „Mich würde es nicht
wundern, wenn factisch nachgewiesen würde: ‚Homer hat auf Cypern gelebt‘.“ In
diesem Zusammenhang berichtet er über eine zyprische Inschrift, die A. H. Say-
ce
10
studiert hatte und Ähnlichkeiten mit Hisarlık feststellen konnte. Schließlich
weist er auf durchaus auch fehlende Übereinstimmungen hin, kritisiert die Arbei-
ten der beiden Brüder Cesnola und schließt damit seinen ersten Brief.
Schliemanns Interesse ist geweckt. Er will Ohnefalsch-Richters Beobachtungen
9
Ob dieses Unterfangen, heute könnte man von Crowdfunding sprechen, erfolgreich war, ist nicht
bekannt.
10
Ohnefalsch-Richter hatte den Altorientalisten und Archäologen Archibald Henry Sayce (1845–
1933) 1881, in jenem Jahr als dieser gemeinsam mit dem Ehepaar Schliemann in Orchomenos
Ausgrabungen unternommen hatte, in Zypern kennengelernt und war mit ihm brieflich in Kontakt
geblieben.