
266
bisheriges Urteil daraus „möglicherweise noch habe berichtigen oder ergänzen
können“. Da er den Goldschatz ja kaum gesehen habe, habe er im Vortrag sich
„jeder Meinung ausdrücklich enthalten“. Er ersucht Schliemann, „im Interesse
der Sache und unseres persönlichen guten Einvernehmens, das durch mich nie
gestört werden soll, wenn Sie bei etwaiger Polemik auf Grund jenes Triestiner
Zeitungsartikels (den ich nicht kenne) vorläufig zur Sicherheit sich nur an den
Zeitungsreferenten hielten; nachher, wenn meine Ansicht gedruckt Ihnen vorliegt,
stehe ich Ihnen Rede und Antwort.“ Conze räumt im Schlusssatz ein, mit Schlie-
mann nicht ganz übereinzustimmen, aber selbst wenn das so bliebe, so mögen sie
„doch als ritterliche Kämpfer uns darum persönlich so gut zu stehen hoffentlich
fortfahren können“. Conze will also keine Feindschaft mit Schliemann aufgrund
wissenschaftlicher Differenzen zu Troja und ist ganz offensichtlich sehr um das
weitere gute Einvernehmen mit ihm bemüht.
Auf diesen Brief Conzes bezieht sich das Schreiben Schliemanns aus Athen an
seinen Verleger Brockhaus vom 27. Dezember 1873
26
: „Professor Conze schreibt
mir soeben einen langen Brief und scheint der Meinung zu sein, daß es besser ist,
in Zukunft keinen Kampf mit mir vor dem großen Publikum aufzunehmen, ehe er
es nicht versucht hat sich über widerstreitende Punkte brieflich mit mir zu einigen.
Ich bitte Sie daher gefl[issentlich?] Nota zu nehmen, daß diesem Ruhestörer, Pro-
fessor A. Conze, Wieden Sophiengasse Nr. 3 in Wien, ein Exemplar des deutschen
Textes nebst Atlas zu senden ist.“
Schliemanns Aktivitäten zu beobachten, hatte Conze freilich schon lange vor dem
Beginn des Briefwechsels mit ihm begonnen, und er hat sich dazu Aufzeichnun-
gen gemacht, wie auf einem Blatt in einem seiner österreichischen Notizbücher zu
sehen ist (Abb. 3)
27
. Er macht sich Notizen zu einem Beitrag in der Augsburger
Allgemeinen Zeitung
28
. Es geht natürlich um Schliemanns Troja-Grabung, und
schon hier ist ein leiser Unterton in Bezug auf die Funde auszumachen – „Er nennt
das einen ‚Beweis‘, daß hier die Pergamos des Priamos gestanden habe, welches
unmöglich bei Bunarbaschi gelegen haben könne“, so Conze. Er war demnach
anfangs skeptisch, was Schliemann und die Identifizierung Trojas betraf.
Aber kehren wir wieder in das Jahr 1873 zurück.
Dass Schliemann zu Alexander Conze anderwärts scharfe Worte finden konnte,
zeigt ein privater Brief von ihm aus dem Dezember 1873 an seine Geschwister,
26
Meyer 1936, S. 140.
27
Berlin, Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts, Nachlass Alexander Conze, Abt. B Nr. 112.
28
Augsburger Allgemeine Zeitung, 24. Mai 1870, Beilage Nr. 144.