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Conze über seine ersten, allerdings noch – wie er zugibt – ohne offizielle Erlaubnis
erfolgten Versuchsgrabungen in Mykene und schildert die Funde, die er dabei ge-
macht hatte. Von einer „große[n] Menge höchst merkwürdiger uralter wunderbar
bemalter Gefäße u[nd] Topfscherben“ ist die Rede, von menschlichen und tieri-
schen Idolen, und Schliemann bringt auch gleich Interpretationen. Viel mehr gibt
er über seine ersten mykenischen Forschungen nicht preis, denn er habe bereits ei-
nen Artikel darüber zur Veröffentlichung nach Frankreich an das Institut de France
gesandt. Er gibt nur noch seiner Freude Ausdruck, dass Martin Haug
38
, Orientalist
in München, eine Menge der trojanischen Inschriften sich vorgenommen hatte.
39
Am 7. April 1874 schreibt Conze an Schliemann
40
. Es ist dies der letzte, für die
1870er Jahre nachweisbare Brief der beiden Korrespondenzpartner. Er ist mit
vier dicht und bis auf die Ränder beschriebenen Seiten Conzes längster Brief an
Schliemann, und es ist ein von wohlwollend kollegial-freundschaftlichem Ton
getragener, in seiner Diktion ehrlicher Brief. Conze kündigt Schliemann die Zu-
sendung von zwei Aufsätzen an, in welchen er sich mit dessen Entdeckungen aus-
einandergesetzt hatte
41
, und er hoffe nun, dass Schliemann „mit der Einmischung
des Homerischen in allzu direkter Form mehr und mehr innehalten“ werde. Dann
nämlich würden Schliemann „alle die unliebsamen Bemerkungen erspart bleiben,
die jetzt die Anerkennung Ihrer Leistungen trüben.“ Auch er, Conze, habe solche
machen müssen. Aber, so Conze weiter: „Was ich Ihnen Unangenehmes gesagt
habe, das forderte meine wissenschaftliche Pflicht von mir und Sie werden wissen,
daß wir nur dadurch weiter kommen, indem wir ihr folgen. Es thut mir herzlich
leid, daß so vielfach diejenigen, die Ihnen Angenehmes sagen, Ihnen schaden, die-
jenigen Sie verletzen müssen, die es am besten und ehrlichsten mit Ihnen und der
Sache meinen. Ich halte das Eine im Vertrauen auf Ihre deutsche Anschauungs-
weise in solchen Dingen fest, daß Sie das aus Wahrheitsliebe auch Ihnen entgegen
Gesagte, wenn auch für falsch, doch nie für kränkend ansehen werden.“
Conze spricht abschließend Schliemann noch seinen Dank für die Zusendung von
dessen Werk aus und kündigt seinerseits seine Samothrake-Publikation an: „Sie
werden, gleichviel ob Sie mir jetzt zürnen werden oder nicht, einer der Ersten sein,
denen ein Exemplar zu freundlicher Aufnahme dargeboten werden wird. Haben
wir doch gleichsam als Ihre Gäste auf Samothrake gearbeitet, unter Ihrem Zelt-
dache.“
38
Haug, Martin, in: NDB 8 (1969), S. 91f. (W. Eilers).
39
Schliemann im nämlichen Brief: „Der brave Mann ist außer sich vor Begeisterung für die Auf-
deckung Troias.“, Meyer 1953, S. 259.
40
Gennadius Library, Schliemann Papers, Box 69, No. 166.
41
Bei den beiden von Conze genannten Aufsätzen kann es sich nur um seinen Beitrag in den
Preussischen Jahrbüchern (Conze 1874a) und den Text in der in Wien erscheinenden Deutschen
Zeitung vom 1. April 1874 (Conze 1874b) handeln.