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Als ich mich in den frühen 1980er Jahren intensiver mit den älteren Grabungen

zu beschäftigen begann, kamen mir zunehmend Zweifel an der These Blegens,

jedoch konnte ich mich damals nur auf einzelne, m. E. zu spät angesetzte Scherben

und quellenkritische Überlegungen zur Genese der Troia-Sage berufen. Jedoch

entdeckte ich, als ich 1989–91 an den Grabungen Korfmanns teilnahm, in einer

der vielen,

nicht

nach Istanbul gelangten Fundkisten Blegens eine Vielzahl von zu

ein und demselben Gefäß gehörenden protogeometrischen Scherben, offenbar das

oben erwähnte, in einer anderen mehrere relativ qualitätvolle Wandfragmente von

drei anderen protogeometrischen Amphoren und ein früh wirkendes Randstück

eines Kessels der Äolisch-Grauen Ware. Dadurch fühlte ich mich in meinem Ver-

dacht bestätigt. Die

Wandscherben

habe ich 1991 in einem Aufsatz vorgelegt und

zwei von ihnen rund um 950 datiert; in diesem Artikel habe ich aber auch andere

griechische Keramik aus den Grabungen Dörpfelds und Blegens behandelt, die

von mir in den Zeitraum 950–700 gesetzt wurden

6

. Außerdem konnte ich in der

Folgezeit aufgrund des Studiums

aller

Veröffentlichungen Dörpfelds und Blegens

Hinweise auf einen Beginn von VIII sogar um 1000/950 sammeln.

Anfangs war meine Frühdatierung von Korfmann sehr begrüßt worden. Als ihm

jedoch klar wurde, dass ich sie dahingehend auslegte, dass ein

historischer Kern

der Troia-Sage im Zusammenhang mit der

griechischen

Besiedlung der Troas

um1000/950, nicht aber mit Kämpfen

mykenischer

Griechen um VI ca. 1250 zu

sehen sei, und dieser

Kern

in meiner Sicht ein eher unscheinbares Ereignis war,

schlug Korfmanns anfängliche Zustimmung in deutliche Ablehnung um. Bald da-

nach wurde jedoch bei den aktuellen Grabungen nicht wenig proto- und subproto-

geometrische Keramik gefunden, die man 1998 zusammenhängend vorgelegt hat

7

.

Überzeugt vom Siedlungsbeginn von VIII um 1000/950, den ich in den Zusam-

menhang der Besiedlung Nordwestkleinasiens durch äolische Griechen stellte,

hatte ich schon früh die Bedeutung des Dörpfeldschen Materials für diese Fra-

ge erkannt. Viele 1893/94 gemachte Funde waren in die Schliemann-Sammlung,

heute im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, gelangt. 1994 konnte

ich ein Projekt zur Neupublikation dieser Sammlung und zur Aufarbeitung der

Grabungsunterlagen Dörpfelds in Angriff nehmen, wobei auch die Blegens so

weit wie möglich herangezogen werden sollten. Dieses Vorhaben wurde vom

Schwerpunktprogramm der DFG

Historische Grundlagenforschung im antiken

Kleinasie

n und vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin unterstützt so-

6

Hertel 1991, 131–144 Abb. 1–3.

7

R. W. V. Catling, The Typology of the Protogeometric and Subprotogeometric Pottery from

Troia and its Aegean Context, in: Studia Troica 8, 1998, 151–187; D. Lenz – F. Ruppenstein – M.

Baumann – R. Catling, Protogeometric Pottery at Troia, in: Studia Troica 8, 1998, 189–222.