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Nach diesem pauschalen Rückblick, möchte ich nun auf einzelne Punkte einge-

hen, die vielleicht ein Nachdenken über die Beurteilung von Schliemanns Leben

und Werk beeinflussen könnten.

Fangen wir mit der Kritik an Schliemann an, die es bekanntermaßen schon zu

seinen Lebzeiten gab und in der modernen Forschung ihre Blütezeit zwischen

1972 (seinem 150. Geburtstag) und 1997 (dem 175. Geburtstag) hatte. Der Kul-

minationspunkt lag um 1990, dem 100. Todestag, mit den Konferenzen in Bad

Homburg, Athen und Berlin. Der gewaltige Schliemann-Nachlass, der noch Gene-

rationen beschäftigen kann, und damit der Vergleich zwischen Schliemanns Pub-

likationen und beispielsweise seinen noch ungedruckten Briefen und Reise- bzw.

Ausgrabungstagebüchern wird auch weiterhin viele kritische Punkte über Leben

und Werk des mecklenburgischen Pastorensohns ans Tageslicht bringen. Das ist

völlig legitim. Doch jeder Schliemannforscher sollte sich vielleicht dabei an die

Worte des Weimarer Geheimrats erinnern. Goethe äußerte sich in einem Gespräch

mit Eckermann am 14. April 1824 über seine Kritiker. Wir lesen:

„Goethe (Abb. 2) sprach darauf über seine Gegner und

daß dieses Geschlecht nie aussterbe. ‚Ihre Zahl ist

Legion, sagte er, doch ist es nicht unmöglich, sie

einigermaßen zu classificiren.

Zuerst nenne ich meine

Gegner aus Dummheit

;

es sind solche, die mich nicht verstanden, und

die mich tadelten, ohne mich zu kennen. Diese

ansehnliche Masse hat mir in meinem Leben

viele Langeweile gemacht; doch es soll ihnen

verziehen seyn, denn sie wußten nicht was sie

thaten.

Eine zweyte große Menge bilden sodann meine

Neider

. Diese Leute gönnen mir

das Glück und die ehrenvolle Stellung nicht, die ich durch mein Talent mir er-

worben. Sie zerren an meinem Ruhm und hätten mich gerne vernichtet. Wäre ich

unglücklich und elend, so würden sie aufhören.

Ferner kommt eine große Zahl derer, die aus

Mangel an eigenem Succeß

meine

Gegner geworden. Es sind begabte Talente darunter, allein sie können mir nicht

verzeihen, daß ich sie verdunkele.

Abb. 2 – Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)