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und so alt sind und gerade aus Troja und Mykenae stammen, all seine wirklich

erstaunliche Energie aufbietet. Aber genützt hat er unserer Wissenschaft deswegen

doch enorm.“ Dieser bemerkenswerte Satz fehlte damals in der Zitierweise von

William Calder III, wie auch Bemerkungen über den fast aller Kritik erhabenen

Ernst Curtius, der u. a. in Olympia grub. Über ihn urteilt der gleiche Furtwängler

in einem Brief vom 20. Juni 1880: „Curtius ist gegenwärtig unwohl, ich habe sehr

viel auf dem Museum zu thun und besuche ihn natürlich öfter; er ist wirklich eine

ungemein liebenswürdige Natur, nur als Gelehrter hat er eigentlich etwas den Be-

ruf verfehlt; es bedrückt ihn auch gerade in den streng wissenschaftlichen Kreisen

nicht mehr recht anerkannt zu werden. Seine Frau vergöttert ihn und ich will‘s ihr

nicht verdenken!“ Den Generaldirektor der Berliner Museen von 1880 bis 1905,

Richard Schöne, bezeichnete Furtwängler in einem Brief vom 14. Oktober 1883

schlichtweg als „Lump ... der die Blamage daß ich trotz und gegen ihn Professor

hier (in Berlin – R. W.) geworden wäre nicht ertragen wollte und offenbar Alles

ansetzte.“

12

Es heißt also, immer wieder vorsichtig sein, wenn man

seine eigene

Kritik an einer

Person durch die Meinungen eines anderen Kritikers unterstützen will. Das klingt,

wie mit erhobenem Zeigefinger gesprochen, soll aber nur als ein Mosaiksteinchen

in einem gerechten Bild über Schliemanns Leben und Werk verstanden sein.

Bei dem Versuch, Schliemann nicht als Personifikation der Archäologie stehen zu

lassen, sondern ihn in die Reihe anderer großer Altertumsforscher zu stellen, stößt

man sehr oft auf Unkenntnis über ehemals berühmte Personen außerhalb ihrer en-

gen Fachkreise. Lepsius, Rawlinson, Dörpfeld und Schuchhardt nahm ich dafür

als Beispiele. Letzteren kennen Schliemannforscher als Autor der ersten großen

Zusammenfassung über Schliemanns archäologisches Werk.

13

Gerhart Rodenwaldt

(1886-1945) urteilte darüber: „Er [Schuchardt – R. W.] bewies hier eine bewun-

derungswürdige Fähigkeit, sich in ein neues Gebiet rasch einzuarbeiten und es so

zu beherrschen, daß seine vorbildlich klare Behandlung lange eine Grundlage der

Forschung bleiben konnte; bemerkenswert ist das sichere Taktgefühl, das bei aller

kritischen Beleuchtung eine Kränkung Schliemanns vermied.“

14

Carl Schuchhardt

war aber auch der erste und langjährige Direktor (von 1888/89-1908) des Museums

August Kestner in Hannover, von 1908 bis 1925 Direktor der Vorgeschichtlichen

12

Zu den Zitaten s. R. Witte, Schliemanns Bedeutung für die moderne Archäologie. In: Troja-

Mykene-Tiryns-Orchomenos (Ausstellungskatalog), Athen 1990 (griechische, deutsche und eng-

lische Ausgaben), S. 32-48.

13

Schliemann’s Ausgrabungen in Troja, Tiryns, Mykenä, Orchomenos, Ithaka im Lichte der heuti-

gen Wissenschaft, 1. und 2. Auflage, Leipzig 1890 und 1891.

14

Nachruf auf Carl Schuchhardt. In: Jahrbuch der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu

Berlin (1950-51), S. 162.