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Kaufmann dies heute

noch vor? Ganz an-

ders sieht es doch mit

dem 40 Meter breiten

und 16 Meter tiefen

Schliemanngraben auf

dem Hügel Hisarlık

aus (Abb. 6). Er bleibt

auf ewig ein Zeichen

für Schliemanns – zu-

mindest am Anfang

seiner Archäologen-

laufbahn– willkürliche

Ausgrabungsmethode.

Der Vergleich mit Hu-

mann und davor mit Evans soll Schliemanns Schwächen nicht entschuldigen, sie

aber in gewisser Weise einordnen. Amüsant ist die Tatsache, dass der zwanzig-

jährige Humann 1859 bei seiner Reifeprüfung im Burggymnasium in Essen als

Thema seines Abituraufsatzes wählte: „Undank ist der Welt Lohn“. Hier bringt er

zum Ausdruck, dass Zeitgenossen bzw. Menschen der Gegenwart nicht gerecht

über aktuelle Leistungen urteilen könnten, da die Großen ihrer Zeit weit voraus-

geeilt seien, nicht zuletzt auch, weil sie voller Hass und Neid seien. Die Nachwelt

hingegen könne gerecht urteilen, sie könne die Ergebnisse ihres Tuns einordnen.

Hierbei muss man unwillkürlich an vergangene Schliemannkritik denken, die

Meinungen von Unterstützern Schliemanns, wie Rudolf Virchow und Wilhelm

Dörpfeld, herabsetzten und die seiner Gegner, u. a. Ernst Curtius, Ulrich von Wi-

lamowitz-Moellendorff und Adolf Furtwängler, überbetonten.

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Letzterer bietet

das beste Beispiel dafür.

Auch wenn folgende Zitate aus Briefen vom 3. und 13. Juli 1881 hinreichend

bekannt sein dürften, sollen sie hier noch einmal genannt werden: „Schliemann

... ist ein widerlicher Kerl, confus, ohne Halt verworren – und doch von solch

leidenschaftlicher Energie für eine Sache. Er hat die Troianischen Sachen un-

serm Museum (in Berlin – R. W.) geschenkt; die sind nun freilich viel tausendmal

schlechter als die Mykenischen, aber doch interessant.“ Und: „Schliemann wird

riesig gefeiert hier (in Berlin – R. W.), ist und bleibt aber doch ein halb verrückter

und confuser Mensch, der von der eigentlichen Bedeutung seiner Ausgrabungen

keine Ahnung hat und wirklich nur aus dem niedern Interesse, daß die Sachen so

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Sehr viel gibt Calder auf die Meinung von Adolf Furtwängler, „arguably the greatest archaeolo-

gist of Wilamowitz‘ generation“ (Calder und Traill 1986, S. 34; vgl. Anm. 7 oben)).

Abb. 6 – Schliemann-Graben auf Hisarlık (Aufnahme R. Witte)