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dorischer Peripteros, der mit mathematischer Exaktheit geplant und entworfen
wurde, zudem noch über einen reichen plastischen Schmuck verfügt, in augustei-
scher Zeit beispiellos erscheint, er wäre nur über eine Kopie eines älteren Tempels
denkbar. Unter den in der Kaiserzeit ausgeführten großen Bauwerke nach dori-
schem Vorbild findet sich kein Periptheros, sondern sie ahmen Vorbilder nach
bzw. kopieren sie. Als Beispiel sei der Rundtempel der Hadrians Villa in Tivoli
aufgeführt, der sich an dem Rundtempel der Aphrodite auf Knidos anlehnt. Kai-
ser Hadrian ließ seine Villa als Alters- und Sommerresidenz erbauen. Er verar-
beitete hier Eindrücke, die er auf seinen Reisen nach Ägypten und Griechenland
erlebte und ließ die Gebäude entsprechend nachbauen. Es lässt sich nicht erklä-
ren, warum ausgerechnet im fernen Ilion dieser Tempel kopiert werden sollte.
Für die Datierung in die hellenistische Frühzeit um 300 v. Chr. erklärt sich auch
aus dem von Strabon überlieferten Vermächtnis Alexander des Großen, in Ilion
einen neuen Tempel der Athena Ilias errichten zu lassen. Der Ilische Städtebund,
der allem Anschein nach der Initiator der Baumaßnahmen in Ilion war, gründete
sich um 310 v. Chr., auf dessen Initiative das Theater A errichtet und Baumaßnah-
men im Tempel durchgeführt worden sind. Belegt ist dies durch die Maulousios-
Inschrift, die um 306 v. Chr. zu datieren ist.
Somit kommen wir auf einen Baubeginn zwischen 310 – 306 v. Chr., was sich
ebenfalls mit Strabons Aussage, dass Lysimachos der Bauherr gewesen sein
übereinstimmt.
Zusammenfassung
Fassen wir also zusammen: Der Hellenismus war nicht nur eine Epoche des Ver-
falls und der Nachahmer, sondern brachte neue Impulse und Entwicklungen in
der Kunst, von denen der Tempel der Athena Ilias mit der berühmten Heliosme-
tope sicher nicht das schönste Beispiel hellenistischer Baukunst ist, doch zeigt sie
uns, dass in der Zeit des Hellenismus von Troja/Ilion eine Faszination ausging
und die Geschichte vom trojanischen Krieg in den Menschen der Zeit weiterlebte,
die bis heute anhält und letztlich beweist, dass Troja/Ilion ein realer Ort im Atlas
der Weltgeschichte zuzuweisen ist.
Literaturverzeichnis
B. Andreae, Schönheit des Realismus. Mainz 1998.