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gewissen Untergange gerettet“, resümierte er später in seiner Autobiographie.
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Schliemanns Vater sieht das Ereignis als Wink des Schicksals an und drängt den
Sohn zur Aufgabe seiner kaufmännischen Geschäfte. Er rät ihm in einem Brief
am 9. 10.1854 dringend, sein Vermögen zum Ankauf ländlicher Besitzungen in
Mecklenburg zu verwenden: „Noch ist es, Gott Lob, Zeit, Dich gegen den Wech-
sel der Dinge zu schützen und den Wankelmuth und die Veränderlichkeit der
Fortuna für Dich unschädlich zu machen!“
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Auch Bahlmann versucht Schliemann davon zu überzeugen und schildert ihm
das Leben als mecklenburgischer Rittergutsbesitzer in den schönsten Farben:
„Ja ich würde mich auch von gefährlichen halsbrechenden Unternehmungen
zurückziehen und mir selbst [sic!] in einer schönen Natur leben. Ein Mecklbg.
Rittergutsbesitzer ist ein kleiner Fürst und in mancher Hinsicht noch ein benei-
denswerther, und nun zumal ein schuldenfreier von denen es glaube ich nicht 5
von 100 giebt. Bei Ihren großen Mitteln können Sie Ihren jetzt ausgesprochenen
Lieblingswunsch leicht befriedigen und werden gewiß ein schönes reitzendes Gut
in unserm glücklichen u gesegneten Lande finden, Sie brauchen nicht so sehr auf
großen Reinertrag zu sehen als auf realen Werth und Annehmlichkeit ... kurz Sie
können leben wie Gott in Frankreich.“
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Diese Aussage Bahlmanns darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser dem
mecklenburgischen Landadel, dem „Junkerthum“, ablehnend gegenübersteht. Er
sieht ihn als wesentlichen Verhinderer des gesellschaftlichen Fortschritts auf dem
Lande an, wie er Schliemann mehrfach mitteilt. „Was die Vertreibung des Adels
aus Mecklenburg anbetrifft so wollen wir das fromme Wünsche sein lassen; er
sitzt jetzt fester wie 1848 ...“
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Schliemann, der zu diesem Zeitpunkt durchaus geneigt war, dem Rat seines Va-
ters und Bahlmanns zu folgen und der inzwischen einen größeren Teil seines Ka-
pitals in amerikanischen Eisenbahnaktien und Fonds angelegt hat, sieht infolge
andauernder profitabler Geschäfte mit kriegswichtigen Gütern keine Möglich-
keit, sich während des Krieges von den Handelsgeschäften zu lösen.
„Aufrichtig gesagt, Geiz und Habsucht sind bei mir stärker als die Sehnsucht
nach einem Landgute in Mecklenburg, und solange der Krieg dauert, ist wohl
keine Möglichkeit, mich vom Mammon loszureißen“, bekennt er mit schonungs-
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Heinrich Schliemann‘s Selbstbiographie, hrsg. von Sophie Schliemann, Leipzig 1892, S. 19.
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Ernst Schliemann, Brief vom 9. 10.1854, in: Meyer BW I, S. 61.
25
Bahlmann, Brief vom 10.11.1854; s. auch Meyer BW I, S. 65.
26
Bahlmann, Brief vom 28. 2. 1858, GL Serie B, B 36, F 4.