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England blockiert mit seiner Flotte die russischen Ostseehäfen und schneidet so

Russland vom Seeverkehr ab. Handel und Industrie werden gelähmt, die Waren

verteuern sich erheblich. Schliemann versucht, seine umfangreichen Warenlager

in St. Petersburg und Moskau zu verkaufen. Er trägt sich mit der Absicht, sein

Handelsgeschäft vorübergehend zu liquidieren und den Friedensschluss abzu-

warten. Schliemann gelingt es aber, die Handelsblockade zu umgehen, in dem er

seine Handelsgüter, es handelt sich vor allem um eingeführte Kolonialwaren wie

Indigo, Cochinille (natürlicher, aus der Kaktusschildlaus gewonnener Karmin-

Farbstoff – W. B.), Kaffee, Tee, Baumwolle und Farbhölzer, mit Erfolg über die

preußischen Städte Königsberg und Memel auf dem Landweg nach St. Petersburg

bringen lässt.

Unerwartet zeitigt die Messe in Nischnij Nowgorod, Schliemanns wichtigster

Umschlagplatz für seine Waren, im August für ihn große finanzielle Gewinne.

Am 31. 8. 1854 schreibt er von dieser Messe an Bahlmann: „Das gegen alles Er-

warten günstige Resultat des Jahrmarktes hat nun mit einem Male alle meine Plä-

ne wieder zu Nichte gemacht und mich zum festen Entschluß gebracht, Rußland

nie wieder zu verlassen ... Unter diesen Umständen muß ich Ihnen recht herzlich

dankbar sein für Ihre gütige Bereitwilligkeit, mir beim Ankaufe eines Landgutes

in Mecklenburg behülflich zu sein; für´s erste werde ich nun wohl nicht mehr da-

ran denken, mich vom Geschäfte zurückzuziehen ... so sehe ich doch jetzt, wo ich

wieder in m(einem) Elemente bin, daß ich nur im Gewühl des großen Geschäftes

und fortwährender Aufregung das Leben erträglich finden kann.“

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Zu einem schicksalhaften Ereignis während des Krimkrieges kommt es für

Schliemann einen Monat später, am 3. 10. 1854 in Memel. Er hatte auf einer In-

digoauktion in Amsterdam mehrere hundert Kisten Indigo und eine große Partie

anderer Waren gekauft und diese auf zwei Schiffen nach Memel absenden lassen,

von wo sie nach St. Petersburg weitertransportiert werden sollten. Schliemann

befand sich auf der Reise nach Memel, um dort das Eintreffen seiner Waren zu

überprüfen. Hinter Tilsit erfuhr er zu seinem Entsetzen, dass die Stadt Memel am

vorangegangenen Tag von einer furchtbaren Feuerbrunst eingeäschert worden sei

und mit ihr auch die Speicheranlagen mit sämtlichen dort gelagerten Waren. Für

Schliemann bedeutete dies, dass sein gesamtes in achteinhalb Jahren erworbenes

Vermögen in Höhe von 150.000 Talern vernichtet war. Auf der Weiterreise wird

dann Schliemann darüber informiert, dass sein Speicher als einziger vom Brand

verschont geblieben war. „Die göttliche Vorsehung beschützte mich oft in der

wunderbarsten Weise, und mehr als einmal wurde ich nur durch einen Zufall vom

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Schliemann, Brief vom 31. 8.1854, in: Meyer BW I, S. 60.