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nur den Muth nicht verlieren ...“, antwortet er Bahlmann.

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Schliemann hatte sich

im Ausland unter schwierigsten Bedingungen aus eigener Kraft und mit eisernem

Willen emporgearbeitet, das konnten andere auch schaffen!

Bahlmann versucht aber auch, mit Schliemann ins Geschäft zu kommen. Als

in Mecklenburg im Jahre 1853 bei dem wichtigsten Brotgetreide Roggen eine

Missernte eintritt und die Kornpreise ansteigen, versucht er Schliemann zu über-

reden, von Russland Roggen nach Rostock zu verschiffen. Er ist bereit, mit ihm

das Risiko zu teilen. Auf dieses Geschäft lässt sich Schliemann jedoch nicht ein.

Der Briefwechsel beschränkte sich aber nicht nur auf geschäftliche und gesell-

schaftliche Fragen. Bahlmann erteilt dem wesentlich jüngeren Schliemann als

„alter Practiker“ gelegentlich ungefragt eheliche und familiäre Ratschläge, die

bei diesem nicht immer auf Gegenliebe stoßen. „Ich bin sorgsamer Vater von

9 Kindern u. habe die 2. Frau u. darf mir in dieser wichtigsten Angelegenheit

einer hochverehrten Familie gegenüber wol ein(en) Rath erlauben.“ So, als ihm

Schliemann vom guten Gedeihen seines Sohnes Sergej berichtet und dies auf das

lange Stillen seiner russischen Frau zurückführt. Bahlmann ist da ganz anderer

Meinung: „Mögen die Rußinnen kräftiger sein als die deutschen Mütter, auch

hier sind schon manche starke Mütter dadurch siech u. elend geworden daß sie

dies Liebeswerk übertrieben u. zu lange fortsetzten ... Lassen Sie Ihren Sergej

auch gekochte Speisen essen, nicht immer die süße Mutterbrust ...“

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Angesichts der von Schliemann 1858 geplanten langen Reise in den Süden Eu-

ropas und in den Orient bringt er ihm unumwunden sein Unverständnis darüber

zum Ausdruck, dass Schliemann als jungverheirateter Mann seine Frau und Fa-

milie in Russland allein zurücklassen will. „Ihre geehrte Frau Gemahlin hat ge-

wiß ein Veto eingelegt, und es war derselben auch ehrlich gesagt nicht zu verden-

ken da solche Reisen wol für einen ledigen jungen Mann aber nicht für den ge-

liebten Gatten und Vater passen, zumal sie mit persönlichen Gefahren mancherlei

Art verknüpft sind ... Meine Frau hätte mir das nicht erlaubt“, schreibt er, von

Schliemanns ehelichen Problemen nichts ahnend.

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Ähnlich reagiert er, als ihm

Schliemann von einem Aufenthalt in Paris berichtet. Bahlmann spielt mit zwei-

deutigen Worten auf das dortige verführerische Milieu an. Als Schliemann auf

solcherlei Hinweise „verschnupft“ reagiert, entschuldigt sich Bahlmann bei ihm.

Er bittet ihn, seine ungebührliche Reaktion seiner kleinstädtischen Unkenntnis

15

Schliemann, Brief vom 14. 11. 1855. In: Meyer BW I, S. 72 f.

16

Bahlmann, Brief vom 5. 8.1856.

17

Bahlmann, Brief vom 9. 2.1858, GL Serie B, B 36, F 3; s. auch Meyer BW I, S. 91f. (Zitat ausge-

lassen).