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er den Briefwechsel mit seiner Schulfreundin Minna Meincke verh. Richers in
Friedland, mit seinem Klassenkameraden Wilhelm Rust in Neustrelitz gar erst
nach dem Tode Bahlmanns im Jahre 1868 auf. Über diese Personen hält Schlie-
mann vor allem den Kontakt zu seiner früheren Heimat, lässt sich von ihnen über
die Situation in Mecklenburg Bericht erstatten. „Sehr dankbar würde ich Ihnen
sein, wenn Sie die Güte haben wollten, mir von Zeit zu Zeit zu schreiben ... wie
es in Mecklenburg aussieht“, schreibt er an Bahlmann in einem seiner ersten
Briefe.
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Aber auch Bahlmann selber hat, vor allem zu Beginn des Briefwechsels, ein ganz
persönliches Interesse daran, Schliemann als Ratgeber für sich zu nutzen. Sein
ältester Sohn hatte sich, wie viele seiner Landsleute, 1853 ebenfalls dazu ent-
schlossen, auszuwandern. Er wollte nach Melbourne, um sich dort eine Existenz
als Kaufmann aufzubauen und sein Glück im Goldhandel zu versuchen. Bahl-
mann bittet Schliemann mehrmals um Rat, so zum vom Sohn geplanten Einstieg
ins Goldgeschäft. Dieser gibt als Kenner der Materie auch bereitwillig Auskunft
und ermutigt ihn zu diesem Vorhaben. „Was das Goldgeschäft betrifft, so ist
nichts leichter wie das, und wird Ihr Sohn schon in wenigen Tagen vollkommen
au fait davon sein; er muß sich nur die ersten Tage in Acht nehmen und dann
lieber einen vertrauten Freund zu Rathe nehmen und später hat es schon nichts
mehr zu sagen“, teilt er ihm am 22. April 1853 aus St. Petersburg mit.
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Als Bahl-
manns Sohn aber in Australien schon kurze Zeit später sein ganzes Kapital durch
Spekulationen verliert, hofft Bahlmann nun auf Schliemanns persönliche Unter-
stützung. Er fragt an, ob dieser als „treuer Gehülfe“ in dessen Geschäft eintreten
könne.
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Doch dies lehnt Schliemann, wie in anderen Fällen auch, kategorisch
ab: „Mit größter Freude würde ich Ihrem Sohn den Vorschlag machen, in mein
Geschäft zu treten, denn es ist gerade eine Vacanz bei mir, und ich bin überzeugt,
daß ich keinen treueren Gehülfen kriegen könnte als ihn, aber, werther Freund,
ich gestehe Ihnen offenherzig, daß so ungeheuer wie hier die Salaire sind, so
ungeheuer sind auch unsere Anforderungen; kein Lehrling kann hier als Volon-
tair eintreten, wenn er nicht wenigstens russisch, englisch, deutsch u. französisch
fertig schreibt und spricht, u. von einem Gehülfen verlangen wir, daß er in diesen
Sprachen coulant u. elegant schreibt u. außerdem gründliche Geschäftsroutine
besitzt ... Wegen der russischen Sprache, die hier unumgänglich nothwendig ist
u. deren Erlernung fast unmöglich ist, wenn man sie nicht mit der Muttermilch
einsog, können wir hier leider keine Ausländer gebrauchen ... Ihr Herr Sohn muß
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Schliemann, Brief vom 22. 4.1853. In: Meyer BW I, S. 54.
13
Schliemann, s. Anm. 12, S. 53
14
Bahlmann, Brief vom 5. 10. 1855; s. auch Meyer BW I, S. 70f. (Passage fehlt)