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Parchim, Lübz, Malchow, Waren und Möllenhagen nach Ankershagen, seinem

Heimatdorf, in dem er acht Jahre seiner Kindheit verbracht hatte und das er nach

20-jähriger Abwesenheit wieder sah. Seine Eindrücke vom Wiedersehen des Or-

tes seiner Kindheit nach so vielen Jahren schilderte er in seinem Amerikatage-

buch (1850-1852):

,,Unmöglich kann ich den Eindruck beschreiben, den der Anblick all jener Plätze

in mir erweckte, wo ich die glücklichen Jahre meiner frühen Kindheit verbracht

hatte und wo jedes Haus, jeder Baum, jeder Stein und jeder Busch tausend schö-

ne Erinnerungen an längst vergangene Jahre erweckte. Jeder Gegenstand muss

dem Auge eines Kindes wohl in riesenhaften Verhältnissen erscheinen, denn der

Kirchturm, der mir einst ungeheuer groß erschienen war und den ich immer für

den größten der Welt gehalten hatte ... nun erschien mir alles ganz klein ... Ich

fand meine Initialen H. S. auf den Fensterscheiben des Hauses, in dem wir ge-

wohnt hatten, in den Bäumen des Gartens und im Hof, denn als Kind hatte ich

die Gewohnheit, sie überall einzuschneiden ... Der gegenwärtige Pastor Conradi

erwies mir jede Gefälligkeit und begleitete mich zur Kirche und zum Grabe mei-

ner Mutter ...“

2

Heinrich Schliemann blieb nur ein paar Stunden. Mit einem vom Gastwirt gemie-

teten Pferdefuhrwerk ließ er sich nach Vipperow an der Müritz fahren, um seine

Schwester Dorothea zu besuchen, die dort bei ihrem Onkel Wachenhusen lebte.

,,Ich kam dort abends um neun an und fuhr am nächsten Morgen um vier über

Röbel, Waren (wo ich Bahlmann, einen alten Freund meines Vaters, besuchte),

Teterow und Güstrow nach Rostock, und von dort fuhr ich am folgenden Mor-

gen mit dem Dampfer ,,‘Erbgroßherzog Friedrich Franz‘ nach Kronstadt und St.

Petersburg“, vermerkte Schliemann in seinem Tagebuch. Am 4. August traf er

wieder „in dieser wunderschönen Hauptstadt Rußlands“ ein.

3

Schliemann, stets in Zeitnot und von seinen Geschäften getrieben, hatte immer

ein dicht gedrängtes Reiseprogramm zusammengestellt, das er minutiös reali-

sierte. Für Nebensächlichkeiten und Erholungspausen hatte es keinen Platz; jede

freie Minute wurde von ihm genutzt. So kann man auch auf dieser ersten Meck-

lenburgreise davon ausgehen, dass er in der Kürze der ihm zur Verfügung stehen-

den Zeit nur ihm wichtig erscheinenden Personen einen Besuch abgestattet hat.

Das müsste auch auf Bahlmann in Waren zutreffen, den er in seinem Reisetage-

buch nur beiläufig erwähnt.

2

H. Schliemann, Amerika-Tagebuch 1850-1852. In: H. A. Stoll, Abenteuer meines Lebens -

Heinrich Schliemann erzählt, Leipzig 1958, S. 149 ff.

3

S. Anm. 2, S. 151.