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Moskau und Odessa, empfangen Briefe auf Französisch.

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Der Stellenwert des

Französischen als höfliche Verkehrssprache ist der Grund für seine Benutzung

in Mitteilungen über unterschiedliche schwierige finanzielle oder persönliche

Situationen. Neben den zahlreichen Briefen an die Familie in deutscher Sprache

existieren auch einige Mitteilungen zwischen Schliemann und dem Bruder Lou-

is, den Schwestern Wilhelmine, Doris und Elise sowie dem Halbbruder Ernst in

französischer Sprache. Und sogar das Tagebuch der Jahre 1858–59 über seine

Mittelmeerrundreise enthält ein paar Seiten auf Französisch über Ägypten (Kai-

ro), Palästina, und die Rückreise Donau aufwärts.

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Im Jahre 1864 ist Schliemann während der ersten Phase seiner Weltreise zweimal

nach Paris gegangen. Sein erster Aufenthalt war sehr kurz, ein paar Tage direkt

nach der Kur in Aachen.

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Aus dieser Kurstadt schrieb er in Französisch an Gott-

schalk (einen alten Geschäftsfreund aus St. Petersburg) über seine Reisepläne

betreffs Paris, Tunis (er hatte sich soeben mehrere Tunis-Obligationen gekauft

und wollte angesichts des Aufstands die dortige politische Lage untersuchen) und

Afrika. Auch in diesem Brief sind seine Anlagestrategien, sein verfügbares Ka-

pital und die Rendite erwähnt, sowie auch Ekaterina und die Kinder in Russland,

die „zweifelsohne” nach Paris umziehen sollten. Die entsprechenden (italieni-

schen) Tagebucheinträge zeichnen auf, dass Schliemann am 21. Mai abends in

Paris eingetroffen ist, und dass er die Großartigkeit des noch im Aufbau befind-

lichen Gare du Nord und das Grand Hôtel auf dem Boulevard des Capucines

bewunderte (wo er sich einquartierte). Am folgenden Tag besuchte er Gottschalk,

spazierte und aß mit ihm, danach spazierte er weiter. Montag, 23. Mai, war den

Bank-Besuchen gewidmet, um den Kauf von mehreren französischen Eisenbahn-

aktien und Anleihen abzuwickeln und Akkreditive für Tunis zu erhalten.

Der zweite Aufenthalt, im Grand Hotel du Louvre, dauerte elf Tage und ist auf

Deutsch verfasst. Obwohl ihm die Ohren so heftig schmerzten, dass er einmal aus

dem Louvre wegrannte und zu Bett ging, machte er dennoch Bemerkungen über

die neuesten Veränderungen in Paris, Besuche bei Gottschalk, Besichtigungen

von Sehenswürdigkeiten und über fünf verschiedene Theaterbesuche. Außerdem

unterzog er sich der Behandlung von drei ineffektiven und teuren Medizinern,

bevor er Linderung (am 18. Oktober) durch einen Privatbrief von Herrn J. H.

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St. Petersburg: P. u. P. I. Ponomarev, K. K. von Fehleisen, Ralli & Skaramanga, T. P. Rodocanachi,

I. A. Zhadimirovsky, J. Lantz, A. Gottschalk, Moskau: S. V. Alekseyev. Odessa: G. Kellner, T, P.

Rodocanachi.

12

HS&FP A3, 75–77, 193–194, 252.

13

HS&FP BBB 25, Blätter 37–38 (14. Mai 1864, an Gottschalk); A5, 7–8, 45–48. S. auch E. Meyer,

Heinrich Schliemann, Kaufmann und Forscher (Göttingen 1969), 183–185; Traill 1995 (Anm. 4),

29.