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Informationsblatt 32 Dezember 2020
Mitteilungen der Gesellschaft
In memoriam Dr. Hans-Jürgen Lippe (1945-2020)
Sein Leben begann am 18. März 1945 in der schweren
Nachkriegszeit in Neustrelitz. Das Geld war knapp,
die Mutter immer krank. So wollte Hans-Jürgen schon
als Schüler seinen Eltern helfen, lernte autodidaktisch
(der Vater war Elektroingenieur) und begann, vielen
Haushalten die begehrten Westantennen aufzubauen.
So konnte er Geld verdienen auch bei den Genossen
und während des Wehrdienstes bei den Armeeoberen.
Es folgten Abitur, Studium, Abbruch, Handwerks-
meister und schließlich Fernstudium bis zur Promo-
tion.
Da er zunächst in der SED war, dann aber dort aus-
und in die LDPD eintrat, wurde ihm die Zusammen-
arbeit mit der Akademie der Wissenschaften gekün-
digt und die Selbstständigkeit für seinen Betrieb erst
1978 genehmigt. Er agierte inzwischen DDR-weit mit
der Wartung elektronischer Messgeräte aus der Sow-
jetunion.
Aber nicht nur seine Berufskarriere trieb er mit großer
Energie voran. Wo immer er konnte, brachte er sich
aktiv mit ein.
Anfang März 1989 war er Mitinitiator und Mitbegrün-
der des Kirchturmvereins unter dem salomonischen
Motto „Schau auf“. Er leitete den Verein bis 2015 und
blieb dann Ehrenvorsitzender bis zu seinem Tod. Im
Herbst 1989 entwickelten sich aus dieser Plattform die
Aktionen für die friedliche Revolution. Hans-Jürgen
brachte mit seinen Ideen natürlich auch die LDPD-
Ortsgruppe voran. Mirow hatte die größte LDPD-
Ortsgruppe in der DDR. Er schaffte es, dass im Herbst
1990 Otto Graf Lambsdorff und später auch Jürgen
Möllemann hier einen Wahlkampfauftritt hatten.
Seine Verantwortung für Mirow trieben Hans-Jürgen
weiter. So wirkte er bei der Gründung des Schloss-
vereins mit, übernahm ein paar Jahre Leitungsver-
antwortung, setzte sich erfolgreich gegen den Verkauf
des Mirower Schlossensembles an Jägermeister ein. Er
unterstützte die Gründung des „Freien Himmel“, sorg-
te für Werbung vom Kirchturm aus.
Mit immer neuen Ideen beschaffte er dem Kirchturm-
verein Gelder, z. B. durch den symbolischen Verkauf
von Treppenstufen für eine neue Kirchturmtreppe,
ebenso wurde eine moderne Aussichtsplattform ge-
baut. Dann konnte die fehlende große „G – Glocke“
gegossen und am 12. Oktober 2003 eingeweiht wer-
den.
Das Kirchendach bekam eine Solaranlage, und nun
werden Kirchturm und Johanniterkreuz nachts an-
gestrahlt. Ein Johannitermuseum wurde initiiert.
Hans-Jürgen sorgte für die Erarbeitung einer „Bau-
historischen Dokumentation“ für die Kirche, woraus
die Baubehörde viele neue Erkenntnisse gewann, z. B.
von den vorher unbekannten „Hagioskopen“ und der
Möglichkeit, das fast verfallene Außengemälde zu res-
taurieren und der Nachwelt zu erhalten.
Ab 1996 war Dr. Lippe Mitglied in der Schliemann-
Gesellschaft und bemühte sich natürlich auch hier,
aktiv mit Ideen dabei zu sein. Er arbeitete viele Jah-
re im Vorstand mit und war oft Versammlungsleiter
bei Mitgliederversammlungen. Bei Reisen der HSG
gewann er durch seine offene Art und seinen Humor
viele Freunde.
Wo immer er das Gefühl hatte, etwas bewirken zu
können, brachte Hans-Jürgen sich ein mit all seiner
Energie, mit immer neuen klugen Ideen. Welch ein
Verlust für uns alle!
Am 23. Februar 2020 verstarb unser guter Freund we-
nige Tage nach Vollendung seines 75. Lebensjahres.
Sechs Jahre hatte er gekämpft gegen seine Krankheit
und dann doch verloren.
Aus seiner Feder stammen die Worte:
„Menschen zerstören und Menschen bauen auf, Men-
schen streiten und vereinigen sich, Menschen haben
Ideen und Glauben.“
Ursula Pilz,
Mirow
Hans-Jürgen Lippe