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Seite 58 Informationsblatt 31 Februar 2020

Es waren wahnsinnig heiße, aber schöne und erlebnisreiche

Tage in Wien! Natürlich standen auch die architektonischen

Zwillinge am Maria-Theresien-Platz, das Kunsthistorische Mu-

seum und das Naturhistorische Museum (Abb. 1), auf unserem

Besichtigungsplan. Letzteres birgt auch die prähistorischen

Sammlungen, was dem Gegenstand unserer Studienfahrten,

Schliemanns Spuren zu folgen, sehr entgegenkam, zeigt es

doch auch einen direkten Bezug auf Schliemann und ist Heim-

stätte eines der berühmtesten Funde der Urgeschichte. In Nach-

betrachtung der schon 2017 in unserem Info-Heft erschienenen

„Reiseeindrücke“ aus Wien möchte ich diesen noch einige Be-

merkungen zum Gebäude des Naturhistorischen Museums und

seinem berühmtesten Exponat, der Venus von Willendorf, hin-

zufügen.

Das Gebäude und sein Konzept

Das Gebäude wurde im Renaissance-Stil errichtet und ist aus

architektonischer Sicht ein Zwilling des Kulturhistorischen

Museums. Seine Länge beträgt 170 Meter, seine Breite 70

Meter. Die zentrale Kuppel ist 33 Meter hoch und von einer

Kolossalstatue des Helios bekrönt. Über dem Eingangsportal

zeigt dem Besucher eine Inschrift den Zweck des Gebäudes,

seinen Auftraggeber und die Jahreszahl seiner Fertigstellung:

„Dem Reiche der Natur und seiner Erforschung; Franz Joseph

I; MDCCCLXXXI“, an.

Am Fassaden- und Figurenschmuck war G. J. Semper (1803-

1879) federführend beteiligt. Das Konzept der künstlerischen

Ausgestaltung ist wohl durchdacht:

• Skulpturen des Hochparterres: Geschichte der Erfindungen

• Skulpturen der Obergeschosse: Weltbegebenheiten

• Skulpturen der Ballustrade: Große berühmte Männer der

Wissenschaft und der Forschung.

Allein die Anzahl der Statuen beläuft sich auf über 30, die der

Porträtbüsten auf ca. 70, und diese werden durch zahlreiche

Medaillons und Darstellungen in den Bogenzwickeln ergänzt.

Die prunkvoll gestaltete Außenfassade findet im Inneren des

Gebäudes seine Fortführung. Das Treppenhaus ist ebenfalls

reich mit Figuren berühmter Naturwissenschaftler ausgestattet.

Im Deckengemälde von Hans Canon (1829-1885) findet das

stark naturwissenschaftliche Denken der damaligen Zeit seinen

bildlichen Ausdruck. Allegorisch wird in seinem Bild „Kreis-

lauf des Lebens“ der „Kampf ums Dasein“ thematisiert. Die

acht Giebelfelder des Kuppelsaales zeigen Allegorien der im

Museum präsentierten Wissenschaftsgebiete.

1

Besonders interessant und aufschlussreich ist der Darwin-

Fries von J. Benk (Abb. 2) in der oberen Kuppelhalle, in der

sich heute das Café befindet. Es konfrontiert mit dem Thema

der Abstammung des Menschen. Das „Menschlein“ sitzt vor

einem Affen, der ihm einen Spiegel vorhält, um zu sagen:

„Sieh her, wir sind verwandt, sieh!“ Doch das „Menschlein“

verbirgt teilweise sein Gesicht und schaut ungläubig dennoch

in den Spiegel. Ein zweiter Affe hinter ihm hält ein Buch mit

der Aufschrift „Abstammung“. Diese Anspielung auf Darwins

(1809-1882) Evolutionstheorie, wahrscheinlich sogar auf sein

Buch „Die Abstammung des Menschen durch geschlechtliche

Zuchtwahl“ (1871), ist nicht zufällig gewählt. Auch Darwins

Porträtbüste (Abb. 3) an der Außenfassade der Ringstraßenseite

des Museums, die gleichsam das Gesamtkonzept des Skulptu-

renschmucks abschließt, ist so zu deuten.

1

Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie, Paläontologie, Urgeschichte,

Ethnografie und Anthropologie.

Beiträge und Berichte

Ein Gebäude und sein berühmtestes Exponat –

Das Naturhistorische Museum in Wien und die Venus von Willendorf

Abb. 1 –

Gebäude des Naturhistorischen Museums inWien (NHM) (Foto: R. Hilse)

Abb. 2 – Darwin-Fries im NHM Wien (Foto: R.Hilse)