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Seite 63

Informationsblatt 31 Februar 2020

Beiträge und Berichte

Wachträume sollen nach Auffassung der Psychologen ihre Aus-

lösung in der Entlastung schmerzhafter Empfindungen haben

und vor allem um praktische Angelegenheiten kreisen, aber

oftmals geht es in Träumen auch um zu lösende Probleme. Be-

rühmt sind die Träume vonAugust Kekulé zur endgültigenAuf-

findung der Strukturformel des Benzols (1861) und von Elias

Howe, die zur Lösung des technischen Problems der Zweifa-

dennähmaschine führte (1835).

Bei Johann Heinrich Voß bestand das Problem darin, dass sein

langjähriger Freund Friedrich Leopold Graf zu Stolberg seine

1778 erschienene Übersetzung der „Ilias“ unverändert in einer

zweiten Auflage herausbringen wollte. Voß, überzeugt davon,

dass diese Übersetzung große Mängel aufwies, versuchte Stoll-

berg zu überzeugen, eine neue Übertragung mit ihm gemeinsam

vorzunehmen. Dieser fühlte sich aber in seinem Stolz verletzt.

Seine Familie machte deutlich, dass Voß ihm den Ruhm durch

Zwei „Griechen“ aus Mecklenburg – Johann Heinrich Voß und Heinrich Schliemann

und ihre Wachträume

Abb. 1 – Frau Professor Rudolph (links) bei der Führung (Foto: R. Hilse)

Auf unserer Tagesexkursion im September dieses Jahres ins Voß-Literaturhaus Penzlin berichtete uns Frau Professor Andrea Rudolph

während ihrer sachkundigen Führung (Abb. 1), dass Johann Heinrich Voß einen Wachtraum hatte, in dem Homer ihn beauftragte, die

„Ilias“ in die deutsche Sprache zu übertragen:

„Siehe, da trat aus dem Licht ein Unsterblicher; seine Gestalt war

Morgenglanz, durchwallend die Nebelhülle wie Nordschein;

Lorbeer kränzt‘ ihm die Harf‘ und die silberlockigen Scheitel.

Als ich den staunenden Blick abwendete, faßte der Heros

Sanft mir die Hand, und in bangen Entzückungen bebte das Herz auf.

Jener begann nun freundlich und redete Laute des Himmels:“

Es folgen weitere mehr als 70 Verse, in denen Homer (Abb. 2) zu Voß

spricht und ihm letztlich den Auftrag erteilt

„Daß für den keuschen Altar der Teutonia du, ein geweihter

Herold, meines Gesangs nektarische Kränze heraufbringst!“

Abb. 2 – Eine von vielen Homer-Büsten