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Seite 53

Informationsblatt 31 Februar 2020

Beiträge und Berichte

Er schließt mit der Aufforderung: „Jede derartige, mit besonde-

ren Figuren ausgestattete und mit Ausbildung des künstlerischen

Sinnes ausgeführte Arbeit hat offenbar einen hohen Werth, und

da sich in unserem Lande eine viel grössere Menge von Gesichts-

urnen, als in irgend einem anderen Lande findet, so ist um so

mehr nothwendig,

dass alle Nachrichten darüber sorgfältig ge-

sammelt werden.“

Heinrich Schliemann und die „Eulenvasen“

1871 bis 1873 hatte Schliemann seine erste offizielle Grabungs-

kampagne in Troja durchgeführt. In der Öffentlichkeit erregten

seine Funde Aufsehen und die Auffindung des „Schatzes des

Priamos“ machte ihn selbst bei den Laien bekannt.

Sein Buch „Trojanische Alterthümer“ (1874) einschließlich des

Atlasses mit den Fotografien zahlreicher Funde war erschienen

und den Gelehrten vom Fach zugänglich gemacht. Viele Funde

erschienen Schliemann und der Fachwelt unerklärlich, neuartig

und fremd. Auch die Gefäßgattung, die Schliemann als „Eulen-

vasen“ bezeichnete, forderte zu Fragen heraus. Eine Kostprobe

aus seiner Veröffentlichung und die Beschreibung solcher Objek-

te und seine Deutung macht dies deutlich.

1

Schon bald nach Beginn der Grabungen auf Hissarlik entdeckt

Schliemann Stülpdeckel, Idole und „Vasen“ mit Gesichtsbildung.

Ein Beispiel solch einer Beschreibung möge genügen:

„Sogleich unter den Trümmerschichten der letzteren (griech.

Schicht), in 2 Meter Tiefe fand ich dies Eulengesicht, mit einer

Art Helm auf Terrakotta-Bechern, die auch in allen folgenden

Schuttschichten bis in 12 Meter Tiefe vorkommen, und sich bis

in 9 Meter Tiefe sehr häufig finden. Diese Becher mögen auch,

wie mein gelehrter Freund Emile Burnof meint, nur als Dec-

1

Schliemann 1874.

kel der gleichzeitig mit ihnen vorkommenden Vasen mit zwei

emporstehenden Flügeln, zwei Frauenbrüsten und einem gro-

ßen Schamteil gedient haben, denn sie passen vollkommen auf

dieselben. Ich fand gleichzeitig von 3 Metern Tiefe abwärts in

allen Trümmerschichten bis zu 10 Metern Tiefe Vasen mit Eu-

lengesichtern, zwei emporstehenden Flügeln (nicht Armen, wie

ich früher meinte), zwei großen Frauenbrüsten und einem sehr

großen Schamteil, und sogar in 6 Meter Tiefe, eine Vase, auf

welcher der Schamteil mit einem Kreuz und vier Nägeln verziert

ist.“ (Abb. 4)

Er meint, darin Abbilder einer Göttin zu erkennen, und glaubt,

diese als Schutzgöttin Trojas identifizieren zu können. Da Ho-

mer die ilische Minerva=Athene („ϑεά γλαυ

kvpi

ς´Αϑήνη“) mit

dem Beiwort „γλαυ

kvpi

ς“ (mit feurigen, funkelnden Augen)

bezeichnet, glaubt Schliemann ausgehend von den Funden sich

berechtigt, hier eine falsche Übersetzung zu sehen und die Be-

deutung des Wortes „mit Eulengesicht“ zu übersetzen.

1875 unternimmt Schliemann dann eine Museumsreise, um nach

analogen Funden zu suchen. Sie führt ihn in die Museen von

Stockholm, Kopenhagen und Leiden, doch das Ergebnis ist spär-

lich. Außer Ähnlichkeiten mit Kupferäxten, die er im Museum

von Leiden findet, ist den trojanischen Funden nichts ähnlich. In

Berlin werden ihm die pommerellischen Gesichtsurnen gezeigt

und in Danzig besichtigt er weitere Objekte. Gladstone hatte ihn

auf Virchows Artikel über die Gesichtsurnen aufmerksam ge-

macht, und so benutzt Schliemann Ende August 1875 die Gele-

genheit, erstmals Virchow einen Besuch abzustatten

2

, um dessen

Meinung über die Parallelerscheinung der trojanischen „Eulen-

vasen“ und der pommerellischen Gesichtsurnen einzuholen.

Seine Theorie der „Athenemit demEulengesicht“ („γλαυ

kvpi

ς“)

hatte ihm viel Ungemach eingebracht. Um diese zu untermauern,

versuchte er einige Wissenschaftler „einzuspannen“. Brunn lehn-

te ab, auch Sepp konnte sich für diese Auffassung nicht erwär-

men. Diese Interpretation Schliemanns war schlicht gesagt falsch

und brachte ihm bei der Gelehrtenzunft Spott und den Vorwurf

ein, Dilettant zu sein. Dies zeigt sich in seinem Vortrag „Troja

und seine Ruinen“, gehalten in Rostock (am 17. August 1875),

in dem er auch auf die „Eulenvasen“ und pommerellischen Ge-

sichtsurnen eingeht.

3

Trotz der starken Kritik seitens der Fachwissenschaftler hält er

auch in „Ilios“ an seiner Auffassung, es handele sich bei den „Eu-

lenvasen“ und den Amphorendeckeln sowie den Idolen um De-

votionalien zu Ehren der ilischen Athena, fest. Allerdings zieht

er nun auch Vergleiche zu den pommerellischen Gesichtsurnen

heran:

„Diese trojanischen Vasen mit Eulengesichtern sind, soviel ich

weiss, einzig; niemals hat man irgendwo sonst ähnliche gefun-

den.

2

Im Juni 1875 hielt Schliemann vor der Society of Antiquaries in London

einen Vortrag über Troja. Anschließend sprach Gladstone ihm seine An-

erkennung aus. Vielleicht erhielt Schliemann bei dieser Gelegenheit die

Empfehlung, Virchow in Sachen „Eulenvasen“ einen Besuch abzustatten.

3

Schliemann 1875.

Abb. 4 – Eulenvase in Schliemann 1881