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Seite 54 Informationsblatt 31 Februar 2020

Beiträge und Berichte

Graburnen jedoch mit roh modellierten menschlichen Gesichtern

sind in dem preussischen Bezirk Pomerellen, in der Nähe von

Danzig, entdeckt worden. Man findet sie stets in steinernen Ki-

sten, die aus fünf flachen Steinen bestehen und kaum den Namen

von Särgen verdienen; (Abb. 5) sie enthalten die Asche und Ge-

beine des Verstorbenen. Eine solche Graburne steht in der Stein-

kiste entweder allein oder inmitten von sechs, acht, zehn, zwölf

oder gar vierzehn leeren gewöhnlichen Vasen.

Der Thon der Graburnen ist entweder gelb oder braun oder

schwarz, bald von guter Qualität und wohl gebrannt, bald sehr

roh und nur wenig gebrannt. Bis August 1875, als ich Danzig

besuchte, waren im ganzen 57 solcher Urnen entdeckt worden;

sie waren sämtlich mit der Hand gemacht. Nur 30 von ihnen

werden dort aufbewahrt; 2 sind in Neustettin, die übrigen 25

in Berlin und in anderen Museen. Es ist beachtenswerth, dass,

mit Ausnahme einer Graburne mit menschlichem Gesicht aus

Sprottow in Schlesien, einer andern aus Gogolin im Regie-

rungsbezirk Westpreussen, einer dritten aus der Provinz Posen

und einer vierten aus Sachsen, solche Urnen nur noch in Po-

merellen gefunden worden sind. Natürlich spreche ich nicht

von den römischen Urnen mit menschlichen Gesichtern, deren

man einige am Rhein und eine grosse Menge in Italien gefun-

den hat. Das Charakteristische der Urnen aus Pomerellen und

das was sie von den trojanischen Vasen mit Eulengesichtern un-

terscheidet, besteht darin, dass ihre Verfertiger offenbar immer

beabsichtigten, das menschliche Gesicht, wenn auch roh und

unvollständig, darzustellen; dass sie die auf den trojanischen

Gefässen fast immer sichtbaren flügelförmigen Auswüchsen

oder weiblichen Geschlechtszeichen niemals zeigen; dass sie

stets als Todtenurnen dienten, während die trojanischen Ge-

fässe ihrer Kleinheit we-

gen niemals zu solchem

Zwecke benutzt worden

sein können und wahr-

scheinlich nur Idole oder

geweihte Gefässe waren;

endlich dass ihre Deckel

die Form gewöhnlicher

Mützen haben, während

die trojanischen Vasen-

deckel die Gestalt von

Helmen (Abb. 6) zei-

gen, auf welchen oft das

weibliche Haar angedeu-

tet ist. Und was das Alter

dieser Gesichtsvasen aus

Pomerellen betrifft, so

gestatten es die Glasperlen, mit denen sie verziert sind, und das

Eisen, mit dem zusammen sie stets gefunden werden, durchaus

nicht, sie in eine ältere Epoche als den Beginn unserer Zeit-

rechnung oder allerhöchstens das 1. oder 2. Jahrhundert v. Chr.

4

zu setzen, während ich für die trojanischen Vasen, ich glaube

jetzt in Uebereinstimmung mit allen Archäologen, ein sehr ho-

hes Alterthum, 1200-1500 Jahre v. Chr. in Anspruch nehme.

5

Ich will hier einige der Vasen mit Menschengesichtern aus der

danziger Sammlung beschreiben. (Abb. 7)

1) Vase mit zwei Augen und Nase, aber ohne Mund; zwei

Ohren mit drei Löchern; dieselben sind mit Bronze-

ringen verziert, in welche Glas- und Bernsteinperlen

eingefügt sind. Die Verzierung des Halses bilden 6

Streifen eingeschnittener Ornamente, welche Fisch-

Rückgrate vorstellen. Darunter ist der Umriss eines

sechsbeinigen Thieres. Auch die Mütze hat einge-

schnittene Verzierungen.“

6

4

Heute: 7. Jh. v. u. Z bis 1./2. Jh. v. u. Z. (Frühe Eisenzeit).

5

Heute: Troia II und III, selten in Troia IV. Alter: frühe Bronzezeit, 2500 bis

2000 v. u. Z.

6

DieseUrnezeigtgroßeÄhnlichkeitmitderGesichtsurneimBernsteinmuseum

in der Marienburg, deren Verzierung aber abweicht.

Abb. 6 – Steinkiste, Vorpommersches Landesmuseum in Greifswald (Foto: R. Hilse)

Abb. 7 – Stülpdeckel in Müller 1972

Abb. 7 – Pommerellische Gesichtsurnen (Foto: MfVF Berlin, 2007)