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Informationsblatt 29 April 2018
Zu Anfang, 1874, war der Friedhof bei den Wienern sehr unbe-
liebt, weil er zu trostlos und karg und vor allem zu weit außer-
halb der Stadt gelegen war. Denn ganz im Gegensatz zu seinem
Namen liegt er nicht zentral, sondern am südöstlichen Stadt-
rand vonWien. Die Simmeringer Hauptstraße war wohl damals,
bei hunderten Toten pro Woche, ein nicht enden wollender Lei-
chenzug mit Pferdewagen.
In seiner heutigen Form ist er ein Friedhof für jeden Verstorbe-
nen, ungeachtet der Glaubensrichtung.
Das geographische Zentrum des Geländes ist die von Max
Hegele (1873-1945) entworfene Friedhofskirche zum heiligen
Karl Borromäus (1538-1584), auf die man direkt vom Haupttor
aus zugeht.
Nachmittags steht die Besichtigung des Schlosses Schönbrunn
auf unserem Plan – der Sommersitz von Maria Theresia, Kaiser
Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. 186 ha groß. Es ist eine
der schönsten Barockanlagen Europas und seit 1569 im Besitz
der Habsburger. Das Schloss diente als Wohnresidenz und zu
Repräsentationszwecken. Von hier aus fuhr Kaiser Franz Joseph
im Sommer in die Hofburg zum Arbeiten.
Ein Schloss mit 1441 Zimmern, ausgestattet im Rokokostil,
in welchem wahrscheinlich auch das erste Konzert des sechs-
jährigen Wolfgang Amadeus Mozart vor der Kaiserin Maria
Theresia und dem Hofstaat stattfand. Und nicht zu vergessen:
In der Großen Galerie tagte der Wiener Kongress 1814/15.
Heute gehört das Schloss aufgrund seiner historischen Bedeu-
tung, seiner einmaligen Anlage und prachtvollen Ausstattung
zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Auf dem Gelände befindet sich außerdem der älteste, noch be-
stehende Zoo Europas, der Tiergarten Schönbrunn. Er wurde
bereits viermal zum besten Zoo Europas gewählt.
Als krönenden Tagesausklang besuchte ein Teil unserer Reise-
gruppe abends den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins
(Abb. 5). Fünf Leute sind leider noch ohne Karten. Auch ich.
Das Haus ist ausverkauft. Nur der Hartnäckigkeit von Frau Re-
nate Karow haben wir es zu verdanken, dass wir doch noch die
ersehnten Tickets bekommen. Und zu meinem Erstaunen und
meiner Freude – direkt auf der Bühne neben den Musikern. Ich
bin in jenem Saal, den ich wehmütig jedes Jahr zu Neujahr im
Fernsehen betrachte, wenn ich mit Inbrunst und Hingabe den
Wiener Philharmonikern bei ihrem Neujahrskonzert zuhöre und
zuschaue. Immer mit dem Gedanken, da kommst Du nie hin. Ich
kann dem Cellisten in die Noten schauen. Und da ich selbst in
einem kleinen
Orchester mit-
spiele, ist es
für mich hoch-
interessant, zu-
zusehen, wie
der Dirigent
mit einem so
hochrangigen
Orchester ar-
beitet.
An diesem Abend fahre ich selig ins Hotel, denn dieser Abend
ist mein persönliches Highlight dieser Reise.
Dritter Tag
– vormittags Stadtrundfahrt, anschließend Besichti-
gung der Universität Wien.
Sie ist mit derzeit über 94.000 Studenten und circa 9.700 Mit-
arbeitern die größte Hochschule in Österreich sowie im
deutschsprachigen Raum und eine der größten in Europa. 1365
in Wien gegründet, ist sie die älteste Universität im heutigen
deutschen Sprachraum. Das aktuelle Angebot umfasst derzeit
187 Studienfächer.
Uns interessierte spezi-
ell die Gipssammlung im
Institut für klassische Ar-
chäologie (Abb. 6 und 7).
Die Entstehung der Gips-
sammlung an der Wiener
Universität ist eng mit der
Errichtung der Lehrkan-
zel für klassische Archäo-
logie verbunden, die 1868
die Lehrkanzel für Münz-
und Altertumskunde ab-
löste. Erster Inhaber der
neu gegründeten Lehr-
kanzel war Alexander
Conze (1831-1914). Er
erwarb am 2. November
1869 das erste Objekt,
den Abguss eines weibli-
chen Kopfes aus dem He-
raion von Argos.
Auch Heinrich Schliemann hatte viele Kontakte zu Wien.
3
Er
stand mit Sammlern, Journalisten und anderen Altertumswis-
senschaftlern in regem Briefkontakt. Viele Wissenschaftler
suchten in Schliemanns Grabungen und Funden die praktische
Bestätigung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten und Theorien
und baten um Photographien, Kopien, Abschriften und anderes
Arbeitsmaterial. Mit Alexander Conze stand er von 1873 bis
1890 im Briefkontakt. Der direkte Kontakt begann 1873, als
Schliemann unaufgefordert einen Gipsabguss der trojanischen
Helios-Metope vom hellenistischen Athena-Tempel als Ge-
schenk an Conze schickte.
Am Nachmittag wird das
Hundertwasserhaus
be-
sichtigt (Abb. 8). Es ist
eine von 1983 bis 1985 er-
baute Wohnhausanlage der
Gemeinde Wien nach den
Vorstellungen des Künst-
lers Friedensreich Hun-
dertwasser (1928-2000).
Im Haus befinden sich
52 Wohnungen und vier
3 Anm. der Redaktion: S. dazu Michaela Zavadil: Eine facettenreiche Be-
ziehung: Heinrich Schliemann und Wien. In: Mitteilungen aus dem Hein-
rich-Schliemann-Museum Ankershagen 10/11, 2016, S.145-170.
Beiträge und Berichte
Abb. 5 – Goldener Saal des Wiener Musikvereins
Abb. 7 – Die Gipssammlung im Institut für
klassische Archäologie der Universität Wien
Abb. 6 – Wir erhalten eine kleine Einführung
in die Geschichte der Universität.
Abb. 8 – Friedensreich-Hundertwas-
ser-Haus