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Informationsblatt 29 April 2018
Beiträge und Berichte
Bezüglich der Angabe eines anderen Standorts, der in Italien die
Altertümer verspricht, denen Sie nachgehen können, weiß ich
nicht,wasichzudemhinzufügensoll,wasichdieEhrehatte,bereits
einmal zu sagen, das heißt, dass zeitgenössische Städte zuHomers
Troja, hier entweder nicht existieren oder völlig unbekannt sind.
Wenn Sie, Verehrtester, ihre Studien auf Denkmäler aus we-
niger alten Zeiten richten wollen, bitte ich Sie, mir ihre Plä-
ne zu zeigen, damit ich Ihre großartigen Impulse, von de-
nen die Wissenschaft so sehr profitiert hat, einordnen kann.
Nehmen Sie, verehrter Herr, meine höchste Wertschätzung ent-
gegen.
Auf Anordnung des Ministers / des Direktors Fiorelli”
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Das Abenteuer Italien war zu Ende.
Zusammenfassend schrieb Heinrich Schliemann aus Castella-
mare an Friedrich Schlie
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am 20. November 1875 über seine
italienischen Grabungen:
„Ich schrieb Ihnen ja schon, daß in
Motya [Schliemann schreibt die Ortsnamen griechisch, der Au-
tor] systematische Grabungen unmöglich sind, weil in 9/10 der
Insel nur ½ Meter Schuttanhäufung ist; außerdem fehlen dort
archaische Topfscherben ganz. Ich habe darüber an die Allg.
Zeitung geschrieben. Ebensowenig sind meine Versuche in Sege-
sta und Poseidonia (Paestum) glücklich gewesen. Ich gehe daher
morgen nach Arpino um zu erforschen, was die von colossalen
cyclopischen Mauern eingeschlossene, ziemlich bedeutende
Schuttanhäufung der Akropolis enthält…. Ungemein gern mög-
te ich jetzt in den vorhistorischen Forschungen bleiben, denn
mit unendlicher Mühe habe ich mich dahin eingearbeitet und
glaube auch daß ich darin noch der Wissenschaft großen Nutzen
bringen kann; spätere Alterthümer sind nur von [geringerem]
Interesse für mich. Motya ist erst im 5
ten
Jahrhundert v. Chr. co-
lonisiert….”
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Am 24. Dezember 1875 bestieg Schliemann ein Schiff, um Ne-
apel und Italien zu verlassen und zu seiner Familie nach Athen
zurückzukehren, zunehmend davon überzeugt, die Arbeit in Tro-
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Brief von Fiorelli an Schliemann, Rom den 7. November 1875: GLS,
lncoming Correspondence, B 70, Fasz. 377, Brief 194, f. a.:
“Ringra-
zio la S.V. Illma delle notizie fornite a questo Ministero intorno ai tentativi
di scavi eseguiti in Sicilia, e sono dolente che essi non abbiano potuto dare
maggior frutto di quello, che la S.V. si è compiaciuto di segnalare.
In quanto alle indicazione di altro sito, che prometta in Italia le antichità di
cui la S.V. va in traccia, non saprei che cosa aggiungere a quanto ebbi l’ono-
re di dirle altra volta, cioè che città contemporanee alla Troia di Omero, qui
o non esistono o sono affatto sconosciute.
Quante volte però la S.V. Illma intendesse rivolgere i suoi studi a monumenti
di epoche meno antiche, la pregherei di manifestarmi i suoi progetti, perché
possa secondarla nei suoi generosi impulsi, per cui tanto si è avvantaggiata
la scienza.
Accolga Illmo Signore i sensi della mia alta considerazione.
D’ordine del Ministro / Il Direttore / Fiorelli”.
25 Friedrich Schlie (1839-1902) war ein deutscher Archäologe und Kunsthisto-
riker, der mit Heinrich Schliemann befreundet war und ihn in Mecklenburg
förderte. Als Direktor der Großherzoglichen Kunstsammlungen war er maß-
geblich an der Katalogisierung der verstreuten großherzoglichen Kunstgü-
ter und dessen Einordnung in das neu errichtete Großherzogliche Museum
in Schwerin beteiligt.
26 Meyer 1953, S. 298.
ja wieder aufzunehmen und sich zukünftig nur dem trojanischen
Zeitalter zu widmen.
In der Zukunft und im Nachhinein sollte ihm diese lange Reise
nach Italien wie eine große Zeitverschwendung erscheinen, weil
er sie in seiner epischen „Selbstbiographie“, die er seinem Buch
„Ilios. Stadt und Land der Trojaner“ voranstellte, nicht erwähnt.
Nachdem das Gerichtsverfahren mit einem für Schliemann po-
sitiven Vergleich beendet werden konnte
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, gab ihm die „Tyche“
die Möglichkeit, nicht nur nach Hissarlik zurückzukehren, son-
dern sich auch dem neuen großen Unternehmen von Mykene zu
widmen.
Die Ausgrabungen von Schliemann – sowohl auf Mozia als auch
in den anderen Stätten Italiens – wurden kleine und zeitlich be-
fristete Abschnitte mit sehr bescheidenen Sondagen bis auf den
gewachsenen Fels und brachten ihn nicht an das angestrebte
Ziel, in Italien Siedlungen aus der Zeit Homers bzw. die Spuren
der Überlebenden von Troja ans Licht zu bringen. In jedem Fall
bedeuten sie eine wichtige Seite in der Geschichte der Archäo-
logie Italiens und Europas.
Bibliografie:
GLS = American School of Classical Studies Athens (ASC-
SA), Gennadius Library, Archive, Heinrich Schliemann Pa-
pers (s.
http://www.ascsa.edu.gr/index.php/archives/heinrich-schliemann-finding-aid)
Bölke 2017:
Bölke, Wilfried, Athener Freimaurer bitten Schlie-
mann um Unterstützung, Informationsblatt der Heinrich-Schlie-
mann-Gesellschaft Ankershagen e. V. 28 (März 2017), S. 38.
D’Ancona
1896-1907: D´Ancona, Alessandro, Carteggio di Mi-
chele Amari raccolto e postillato coll’elogio di Lui letto nell’Ac-
cademia della Crusca, I-III, Torino (Roux Frassati) 1896-1907,
1896 S. 319 -321, Brief 760.
De Rossi 1875:
De Rossi, Michele S., Sugli studi e sugli scavi
fatti dallo Schliemann nella necropoli arcaica Albana, Bullettino
di Paletnologia Italiana 1, 1875, S. 186-190.
HSG
= Heinrich-Schliemann-Gesellschaft Ankershagen e. V.
Isserlin 1968:
Isserlin, B.S.J, Schliemann at Motya, Antiqui-
ty 42, 1968, S. 144-148.
27 Das Gericht in Athen verurteilte am 15. April 1875 Schliemann zur Zahlung
von 10.000 Francs (rund 8.000 Goldmark), Schliemann zahlte freiwillig das
5-fache, also 50.000 Francs an das Kaiserliche Museum in Konstantinopel.
An seinen Freund Wilhelm Rust schrieb Schliemann am 24. April 1875 aus
Athen „Endlich am 15. April ist zwischen mir und der Türkei der Friede
abgeschlossen; ich habe 50000 Franken gezahlt und die Türkei hat dagegen
auf alle Ansprüche auf mein trojanisches Museum verzichtet, … Den Schatz
aber habe ich in der griechischen Bank in Verwahr gegeben. Ich habe ihn in
den Ruinen des Palastes von Trojas letztem König gefunden, der von Homer
und der ganzen Tradition Priamos genannt wird, und ich werde ihn daher
so nennen, bis es bewiesen wird, daß der gute Mann einen anderen Namen
hatte. Über die Spottgedichte im Kladderadatsch habe ich mich nicht ge-
ärgert, wohl aber über die Ausbrüche des tierischen Neides der deutschen
Philologen.” (H. A. Stoll, Abenteuer meines Lebens. Heinrich Schliemann
erzählt, Berlin 1958, S. 206 f.).